Schluss mit lustig

Leider wird hier ab sofort der Betrieb eingestellt. Wahrscheinlich endgültig. Die Leserzahlen stagnieren auf einem bescheidenen Niveau, so dass auch zukünftig nicht damit zu rechnen ist, dass mit diesem Blog direkt oder indirekt auch nur ein einziger Cent erwirtschaftet werden kann. Andererseits ist der erforderliche Arbeitsaufwand beträchtlich. So geht es nicht auf Dauer weiter; ich kann mir das schlicht nicht leisten. Schade, mir hat's Spaß gemacht und Euch hoffentlich auch. Das "sympathisch abwegige Konzept", das, so Stefan Niggemeier, hinter diesem Blog stehe, war wohl doch eine Spur zu abwegig.

Unmutsäußerungen nehme ich gerne entgegen, und wer Interesse daran hat, mich doch noch umzustimmen, handelt am wirkungsvollsten, indem er zu einem Anstieg der Zahl der Kinoprovinz-Feed-Abos beiträgt. Sollte das Wunder eintreten, dass sich trotz derzeitiger Inaktivität die Abonnentenzahl vervielfacht, wäre eine Wiederauferstehung nicht ausgeschlossen. (Abos derzeit: gerade mal 130)


Orientierung müsst Ihr Euch fortan bei Bedarf wohl anderswo suchen, hier drei Empfehlungen, zwei kurz, eine lang:



Einen ähnlich subjektiven und vorurteilsvollen Blick wie ich wirft der hier schon mehrfach gepriesene Abspannsitzenbleiber Thomas Kögel aus München in seiner wöchentlichen Trailerschau auf die Neustarts. Wollen wir hoffen, dass sein jüngstes Experiment, eigene Urteile durch die Meinung irgendwelcher Leute via Twitter zu ersetzen, nicht fortgesetzt wird.





Hilfreich ist außerdem immer ein Blick auf die "Im-Kino"-Seite von filmz.de; die mühsam und gewissenhaft zusammengestellten Linksammlungen zu den neu startenden Filmen sind verlässlich und verkürzen die Wege zu geeigneten Informationsquellen erheblich.





Knackige Kurzkritiken, schön nach Startterminen sortiert, liefert der Kulturspiegel, das Supplement des Spiegel, das in der jeweils letzten Ausgabe des Monats (nächste Ausgabe am Samstag, den 30.5.) der Gesamtauflage beiliegt. Verantwortlich für diese beste Übersicht über das Kinogeschehen, die man in gedruckter Form im Land bekommen kann, ist Daniel Sander, der seit 2005 die Filmauswahl bestimmt und etwa die Hälfte der Texte auch selber schreibt. Die beiden freien Co-Autoren bleiben in alter Spiegeltradition namenlos. Leider werden nicht einmal annähernd alle neu startenden Filme rezensiert; unter den Tisch fällt viel verzichtbarer Schrott, aber auch manche Kostbarkeit.

Zum Glück erlaubt das Budget des Kulturspiegel (der sich sogar immer noch erfreulich aufwendige Fotoproduktionen für die Titelgeschichten leisten kann, einmalig bei Kulturthemen), dass ganz unabhängig vom Hauptblatt und von Spon gearbeitet werden kann. Anderswo ist die Parallelverwertung von Texten in Supplements oder anderen Blättern aus dem eigenen Haus Standard geworden, oder es werden zwangsweise vorhandene Rezensionen geplündert; das nennt sich dann meist schön euphemistisch die "Nutzung von Synergie-Effekten".

Online sind die Kurzkritiken leider nicht abrufbar; dafür gibt's fast jeden Donnerstag einen längeren Text von Daniel Sander exklusiv im Rahmen der "Tageskarte". Meist ist das eine Kritik zu einem der neu im Kino anlaufenden Filme, manchmal ist aber auch eine DVD-Veröffentlichung der Aufhänger; dadurch werden Texte zu Klassikern möglich wie diese Woche der äußerst lesenswerte Beitrag zu Michelangelo Antonionis ZABRISKIE POINT.

Der Kulturspiegel über SIMONS GEHEIMNIS:
"Regisseur Egoyan, wie immer in den Untiefen der menschlichen Psyche unterwegs, packt so viele Ideen und Wendungen in dieses Gedankenspiel über Familie, Religion und Manipulation, dass der Film manchmal – aber nur fast – darunter zusammenbricht. Unbedingt sehenswert".

Über TAGE ODER STUNDEN:
"Gefühlstrunkener französischer Publikumserfolg, der sich selbst zu wichtig nimmt".

Über DUPLICITY:
"Roberts und Owen als sich hass-liebende Spione, die zwei verfeindete Pharma-Unternehmen infiltrieren, täuschen mit unvergleichlichem Charisma auch über gelegentliche Drehbuchhänger hinweg".

Über ROCK'N'ROLLA:
"Die Verleihwerbung verspricht 'Sex, Crime & Rock'n'Roll', doch statt viel Erotik gibt es anstrengende Posen eines Junkie-Rockers, konfuse Verbrechensverwicklungen um Londoner Immobilien-Gangster und eine Abramowitsch-Karikatur zu sehen. Guy-Ritchie-Fans feiern das schon als Rückkehr zur alten Form. Für Leser von Männermagazinen".

Über REVANCHE:
"Spannendes, gut gemachtes Kino für den Kopf, präzise und packend".

Über THE SPIRIT:
"Comic-Autor Miller führte bei dieser albernen, von Ferne an BATMAN erinnernden Rächer-Story erstmals allein Regie. Sollte er besser nicht mehr tun."

Über DIE KLASSE:
"Halbdokumentarisch in Szene gesetzt, unverkitscht, realitätsnah, bewegend".

Über OPERATION WALKÜRE:
"Nach dem aufgeblasenen Vorfeldwirbel entpuppt sich nun das Widerstandswerk mit dem eher farblosen als couragierten Cruise in der Hauptrolle als simples und geschwätziges Event-Movie auf TV-Niveau, mit dem Regisseur Singer und Autor McQuarrie deutlich ihre Grenzen aufzeigen".


Und nun, zum guten Schluss, sei auch noch der Lieblingsfilm von Daniel Sander verraten:



CHILDREN OF MEN von 2006; Regisseur und Drehbuchautor ist Alfonso Cuarón, der davor so unterschiedliche Filme wie Y TU MAMÁ TAMBIÉN und eines der Harry-Potter-Sequels gemacht hat.

CHILDREN OF MEN ist ein packend inszeniertes und teils sehr realistisch anmutendes Endzeitdrama, das beispielhaft demonstriert, wie gelungenes, intelligentes und trotzdem massentaugliches Kino heute aussehen kann. Die in der nahen Zukunft spielende Geschichte beschreibt eine Welt, in der die Menschen allgemein unfruchtbar geworden sind und verfolgt die verzweifelte Flucht einer kleinen Gruppe, in deren Mitte sich eine Schwangere befindet, vor der polizeistaatlichen Obrigkeit. Die Hauptrolle spielt Clive Owen; Michael Caine hat einen hübschen Auftritt als integrer Hippie-Opa.
Auch wenn der Film bei imdb die beachtliche Durchschnittsnote 8,1 erreicht (unter den Top 250) und das Tomatometer 92% anzeigt, gibt es viele, die ihn heftig ablehnen: Bei imdb häufen sich Verrisse unter den Nutzerkommentaren, in denen vor allem bemängelt wird, dass vieles nicht ausreichend erklärt werde und darum unplausibel sei und dass zu viel geballert werde; professionelle Kritiker hingegen haben sich vereinzelt am pseudo-religiösen Symbolismus des Endes gestört.

CHILDREN OF MEN ist überall problemlos auf DVD zu bekommen.


Und ein Film, den wir zum Glück nicht gesehen haben:



Es ist nicht so, dass Michael Caine heutzutage ausschließlich in guten oder in Batmanfilmen mitspielt. Der jüngste Tiefpunkt stammt von 2005 und ist das Remake einer Fernsehserie aus den Sechzigern: VERLIEBT IN EINE HEXE. Es scheint sich um eine der missratensten Romcoms der letzten Jahre zu handeln; bei der Beschreibung all der Schwächen gehen den Kritikern die Adjektive aus. Anke Gröner, eine ausgewiesene Freundin des Genres, schrieb: "Zum Schluss kriegen sie sich, und alles ist toll. Und mir ist schlecht, weil Frau Kidman leider überhaupt nicht lustig ist und so dermaßen krampfhaft auf Meg Ryan macht, dass es kaum zum Aushalten ist, zwischen ihr und Ferrell fliegt nicht mal ein Fünkchen, und der ganze Film hat ein so unstimmiges Tempo, das ich ständig versucht war, vorzuskippen". Das Tomatometer zeigt erbärmliche 25% an; bei imdb ist die Durchschnittsnote 4,9. Michael Caine gibt den Vater der Kidman-Hexe und macht das Ganze offenbar nicht schlimmer, reißt es aber auch nicht raus.



Die Google-Abfrage, die letzte Woche und in vielen zurückliegenden Wochen am häufigsten auf diese Seiten geführt hat, lautet, wenig überraschend, einfach "Kinoprovinz".

10 Kommentare:

  1. Jauuuuuul!

    Och, das ist aber nun wirklich schade.
    Leider fällt mir nichts über die subjektive Trauer hinausgehendes ein, um Sie zum Überdenken dieses Schritts bewegen zu können.

    Mist.


    Alles Gute von einem treuen, begeisterten und dankbaren Leser!

    ~okeo

    AntwortenLöschen
  2. Mehr als "ist schade" fällt mir jetzt auch nicht ein. Aus der Provinz (Schweiz) wünscht alles Gute ein ebenfalls treuer, begeisterter und dankbarer Leser

    AntwortenLöschen
  3. neiiiiiiiiiiiiiiiieeeeeeeeeeeeeeeeeeeeenn, mein liebster und einziger Film-Blog :-(

    Dankend für die schöne Zeit verbleibe ich in Hoffnung, daß du es dir nochmal überlegst mit besten Grüßen,
    Jens

    AntwortenLöschen
  4. Schliesse mich den Vorrednern an: Sehr schade,
    vielen Dank und alles Gute!

    AntwortenLöschen
  5. Oh nein …

    Als Abonnent und Verlinker der ersten Stunde trifft mich das besonders hart. Und wer stellt mir den nun mein wöchentliches TV-Spielfilmprogramm zusammen?

    AntwortenLöschen
  6. Das diese Seite wegen mangelnden Traffics eingestellt werden muß ist wirklich schade, wenn auch nachvollziehbar. Zum Abschied nochmal ein ganz dickes Dankeschöm für diese Mischung aus Unterhaltung und Information.

    Und um Deiner Bitte nachzukommen: hier noch ein Foto von dem vor ein paar Wochen arrangierten Blind Date - die Weihnachtsmann-Tüte passte leider nicht mehr aufs Bild ;-)

    http://www.washingtoncitypaper.com/blogs/fringe/wp-content/uploads/2008/07/big-prototype.jpg

    AntwortenLöschen
  7. Werde ich jemals wieder ins Kino gehen? Werde ich jemals wieder einen Film aus dem Fernsehen aufnehmen? Die wenigen Male, an denen mir eins von beiden in den letzten Jahren gelungen ist, habe ich jedenfalls ausschließlich der Kinoprovinz zu verdanken. Zudem bot sie mir ein allwöchentliches intellektuelles Vergnügen, das seinesgleichen suchte und das durch nichts zu ersetzen sein wird. Es ist einfach schrecklich. Leider allerdings sind die Gründe für Deine Entscheidung nachvollziehbar, und so bleibt mir nur, auf bessere Zeiten und damit die Wiederauferstehung der Kinoprovinz zu hoffen, und Dir herzlich für alles zu danken.

    AntwortenLöschen
  8. Schnief, dem ist nichts hinzuzufügen. Aber der echte Schmerz wird erst morgen kommen...

    AntwortenLöschen
  9. Genau, M - da ist er schon! Wer hilft mir jetzt durch diesen öden Donnerstag? Wer lenkt mich eine halbe Stunde lang von meiner Arbeit ab? Es ist einfach zum Heulen!

    AntwortenLöschen