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Woche 36/2008



"Die Liebe mit siebzig" aus: Phantasien, von Jean-Marc Reiser, Semmel Verlach, 1988

Es wurde in den letzten Jahren mehrfach versucht, Sex im Film realistisch und nicht pornografisch darzustellen, etwa in SHORTBUS oder INTIMACY und es wäre eine echte Bereicherung des Kinos, wenn es gelänge, eine Bildersprache zu finden, die es erlaubt, ganz selbstverständlich auch von diesem nicht gerade unwichtigen Lebensbereich zu erzählen, ohne das Publikum oder Teile davon unfreiwillig aufzugeilen. Andreas Dresen hat das jetzt geschafft, er zeigt ganz viel Haut und ganz viel Sex, er schaut genau hin und erzählt ohne Weichzeichner und explizit, doch keiner wird ihm je einen Pornografievorwurf machen. Denn seine Liebenden sind 70 und ihre Körper sehen eben auch so aus.
Das ist leider kein nebensächlicher Aspekt des Films, sondern das eigentliche Thema. Erzählt wird in WOLKE 9 nämlich eine sehr einfache Liebesgeschichte, an der wohl nix bemerkenswert wäre, wenn die Agierenden das für solche Geschichten übliche Alter hätten.

Dresen ist bekannt geworden mit sehr nüchtern erzählten Alltagsdramen, deren durchs Leben taumelnde Akteure aber nie fies vorgeführt, sondern immer mit Sympathie betrachtet werden. HALBE TREPPE, SOMMER VORM BALKON, WILLENBROCK, alles tolle Filme, alles Beispiele dafür, wie scheinbar unerträglich triste Geschichten aus Welten, die erstmal keinen interessieren, spannend und komisch und mitreißend erzählt werden können. Ich habe also ausnahmsweise mal bei einem deutschen Regisseur positive Vorurteile, doch schreckt mich bei diesem Werk das vermutete Kalkül. Und, um ehrlich zu sein, auch die Aussicht auf all die welke Haut. WOLKE 9 läuft im Abaton, Zeise, Passage und Koralle.




"Die Story ist, gelinde gesagt, krude und, ehrlich gesagt, zu blöd, um wahr zu sein", schreibt Frank Schnelle in epd Film über den ersten Blockbuster, den WÄCHTER-Regisseur Timur Bekmambetov in Hollywood inszeniert hat. Es geht um einen Loser, der zum Meisterkiller wird, um einen Geheimbund von Auftragskillern, um das Schicksal und ums um-die Ecke-Schießen. WANTED heißt der Film, es spielen Morgan Freeman, James McAvoy, Angelina Jolie und Terence Stamp mit und wem aufwendige Verfolgungsjagden und beeindruckende Special-Effects-gesättigte Action-Szenen für einen Kinoabend reichen, der sollte eines der Multiplexe besuchen oder sich die Originalfassung im Streits angucken.



Außerdem:



Einfach unfassbar furchtbar. Beruht auf einer erfolgreichen Zeichentrickserie, der Kinofilm dagegen wurde computeranimiert. Das Ergebnis ist ein hoffnungsvoller Anwärter auf den Titel "Miesester Animationsfilm aller Zeiten". Sowas ist wirklich jugendgefährdend. Macht dumm und ruiniert die Geschmacksbildung, visuell wie musikalisch. Wer sich traut, guckt sich den Trailer an. Verantwortungslose Sorgeberechtigte bezahlen den Eintritt für die Tochter im nächstgelegenen Multiplex oder im Zeise, das auch vor gar nichts mehr zurückschreckt. Der deutsche Titel: WINX CLUB - DAS GEHEIMNIS DES VERLORENEN KÖNIGREICHS.




Wöchentliche Provinzialitätsmessung:

Diese Woche startet anderswo außerdem auch noch ein japanischer Film zum Thema Sex im Alter: LIEBESTOLL IM ABENDROT - TASOGARE. Bei uns laufen also 75 % der neuen Filme an. In Berlin laufen sie, wie immer, alle.



Weiterhin:



Letzte Gelegenheit vermutlich: DER SOHN VON RAMBOW läuft im UCI Othmarschen noch täglich, aber leider nur um 17.30 Uhr. Am Mittwoch hatte das UCI gerade einmal 8 Karten verkauft. 4 davon habe ich bezahlt. In Großbritannien hat der Film 4 Millionen Pfund eingespielt. Da ist eben doch alles besser.

COUSCOUS MIT FISCH im Holi.

39,90 im Abaton, im Zeise und spät im UCI Othmarschen.

HAPPY-GO-LUCKY im Alabama und im Koralle, außerdem nur am Montag im Cinemaxx Harburg.

KÜSS MICH BITTE nur noch nachmittags im Holi.

DR. ALEMAN spät im UCI Mundsburg.

TAGE DES ZORNS im Abaton und im Koralle.

ICH HABE DEN ENGLISCHEN KÖNIG BEDIENT im Passage.

DER MONGOLE nur noch nachmittags im Abaton.

Und der DARK KNIGHT läuft im Streits OF, außerdem natürlich in sämtlichen Multiplexen.

Letzte Woche schrieb ich was von Scheißwetter und prompt war das Wochenende herrlich. Vielleicht klappt´s ja nochmal: Trotz niedriger Temperaturen und ständig bewölktem Himmel gibt es weiterhin ungemütliche Vorstellungen im Schanzenpark und auf dem Alsterdorfer Markt.

Und wer FLEISCH IST MEIN GEMÜSE immer noch nicht gesehen hat, kann das am Sonntag im Abaton um 22.30 Uhr nachholen. Läuft als "2,99-Special".



Dies und das:


Das Metropolis zeigt eine Reihe brandneuer Produktionen aus Hongkong, die bei uns noch nicht zu sehen waren und vermutlich auch nie regulär ins Kino kommen werden, darunter 6 Räuber-und Gendarm-Kracher, allesamt im Original mit englischen Untertiteln. Hier eine Übersicht.

Im 3001, Zeise und im B-Movie findet zum zweiten Mal das Musikfilmfest "Unerhört" statt, unter anderem wird DISCO DANCER gezeigt, eine legendäre und wahrscheinlich furchtbar alberne Bollywoodproduktion von 1983. Aber Vorsicht: Im Programm werden keinerlei Angaben zur Projektion gemacht, vielleicht gibt´s nur lausige Beamerbilder von DVD. Bei Interesse sollte man sicherheitshalber im Kino oder beim Veranstalter telefonisch nachfragen, für was da eigentlich Eintritt verlangt wird.



Filme, die wir zum Glück nicht gesehen haben, Folge 24:

Ein Kostümfilm und Biopic aus Deutschland mit Herbert Grönemeyer als Robert Schumann und André Heller als Felix Mendelssohn. Zumindest für mich ein filmisches Folterinstrument, wie ich mir kein schlimmeres ausmalen kann und will.



Umsonst und zuhause:



Am Donnerstag zeit Vox um 20.15 Uhr den Echtzeit-Telefonzellen-Thriller NICHT AUFLEGEN. Effektiv und schnörkellos kann sogar Joel Schumacher erzählen, wenn das Budget nicht zu groß ist. ShowView 304.568

Der Fernsehtitel LIPPENBEKENNTNISSE ist ein wenig irreführend, tatsächlich handelt es sich um ein französisches Caper-Movie mit komödiantischen Elementen, in dem die Fähigkeit der Protagonistin, von den Lippen zu lesen, eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Soll toll gespielt und frisch inszeniert sein und läuft in der Nacht von Donnerstag auf Freitag um 00.50 Uhr auf arte. ShowView 6.124.650

Das Erste zeigt in der Nacht von Freitag auf Samstag die ersten beiden Teile der Fernsehfassung des PATEN, die nicht nur eine kongeniale chronlogische Schnittfassung der ersten beiden Filme ist, sondern an die 60 Minuten zusätzliches Material enthält. Unbedingt aufzeichnen! Teil 1 um 01.15 Uhr, ShowView 4.723.493, Teil 2 um 02.50 Uhr, ShowView 4.669.525, Teil 3 in der nächsten Woche.



Ebenfalls in der Nacht zu Samstag zeigt 3Sat um 03.25 Uhr DAS KANINCHEN BIN ICH, den Defafilm von 1965, der 25 Jahre im Giftschrank lag. Regie führte Kurt Maetzig. ShowView 44.324.341

Am Samstag zeigt arte um 22.40 Uhr ein vielgelobtes Kindheitsdrama aus Brasilien, der deutsche Titel ist SCHWAZER VOGEL, STILLES KIND. Lief letztes Jahr in Cannes, soll angenehm unprätentiös und wahrhaftig sein und hat weltweit 12 Preise abgeräumt. ShowView 4.085.815

Das könnte mal eine Filmfassung eines Bühnenstückes sein, die mir zusagt. Das Stück ist "Männergesellschaft" von Edward Bond, der Film heißt LEO IN MÄNNERGESELLSCHAFT. Eine Vater-Sohn-Tragödie, die mit verschiedenen Wirklichkeitsebenen spielt und den Theaterhintergrund transparent macht. Lief bei uns bislang nur einmal vorher im Fernsehen. Auf arte in der Nacht von Samstag auf Sonntag um 00.05 Uhr. ShowView 3.739.552



In der Nacht von Sonntag auf Montag zeigt arte dann um 00.15 Uhr eine verspielte Doku über eine bulgarische Provinzstadt, sehr seltsam und mit absurdem Humor erzählt. DAS MOSKITOPROBLEM UND ANDERE GESCHICHTEN ist der Titel, ich bin gespannt. Variety urteilte "delightful and disturbing". ShowView 2.586.953 (VPS: ShowView 1.607.494)

Am Montag zeigt dann der MDR erstmals TUYAS HOCHZEIT, der Gewinner des goldenen Bären in Berlin 2007, der es in unsere armselige Kinoprovinz nicht geschafft hatte letzten Sommer. Ein Drama um Tuyas kranken Ehemann und seinen notwendigen Ersatz, spielt in der mongolischen Steppe. Um 22.50 Uhr, ShowView 8.126.885

Am Mittwoch läuft auf arte um 22.50 Uhr erstmals die hübsche dänische Komödie ADAMS ÄPFEL mit dem zur Zeit sehr präsenten Mads Mikkelsen als Pfaffen, der sich mit bösen Jungs abplagt, denen er den rechten Weg weisen will. Paprika Steen ist auch wieder mal dabei. ShowView 726.768


Und wie immer gibt es außerdem noch jede Menge weitere sehenswerte Filme, vielleicht mag diese Woche beispielsweise jemand wieder mal die wunderbare Elmore-Leonard-Adaption OUT OF SIGHT mit Clooney und Lopez auf Vox sehen. Oder Arthur Penns THE CHASE ("Ein Mann wird gejagt" mit Marlon Brando, Robert Redford und Jane Fonda auf Tele5. Oder THOMAS CROWN IST NICHT ZU FASSEN auf N3. Wer suchet, der findet.



Kinos, Folge 42: Im UCI Multiplex in Hamburg-Wandsbek

Bevor das "UCI Kinowelt Smart-City" am unwirtlichen Friedrich-Ebert-Damm über einem Autohaus eröffnet wurde, gab es in Wandsbek kein Kino mehr. Das große Kinosterben der 60er und 70er Jahre bedeutete für den Stadtteil einen Kahlschlag, das letzte Haus schloss 1973, endgültig. Mit dem Multiplexboom entstanden dann absurderweise gleich zwei neue Spielstätten in Wandsbek mit zusammen knapp 4000 Plätzen. Beide Häuser sind jetzt bald 10 Jahre in Betrieb, ich wüsste gerne, ob da je ein Gewinn gemacht wurde bei Flebbe oder dem UCI. Letzteres ist trotz seiner Lage und der seltsamen Doppelnutzung des Gebäudes eines der angenehmeren Multiplexe der Stadt, ist zumindest alles hübsch rot da. Der Gang auf der Abbildung erschließt die 9 Säle, die alle ordentlich aufgereiht wie Gates am Flughafen nebeneinander liegen.


Eine Googleabfrage, die letzte Woche jemanden auf diese Seiten führte: "wie heißt die englische königin".

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