Österreichische Rache und Glückskeksdialoge

"Ich kann nicht gerade behaupten, dass ich die Berliner Filmfestspiele mag – aber das Forum ist etwas anderes. Das Publikum hat die Witze und den 'tieferen Sinn' meiner Filme (falls sie überhaupt einen haben, woran ich selber zweifele) verstanden. Sie müssen sowieso irgendeine Sorte Masochisten sein, um die Filme sehen zu wollen. Das Bier in Berlin ist nicht besonders gut, und es dauert eine Ewigkeit, bis man endlich eines hat. Glücklicherweise haben sie in der Stadt auch noch andere Getränke. Kurzum: Das Forum ist ein Stück geistige Heimat für mich."

Aki Kaurismäki, 1989


Woche 7/2009 (12.2. - 18.2.)

Die Neustarts:




In einem Rückblick auf den mittelmäßigen Wettbewerb der letztjährigen Berlinale hält Shane Danielsen von indieWIRE dem Festival immerhin zugute, dass es "einen der besten Filme von 2008" entdeckt habe: REVANCHE. Nur leider sei der "Schatz" von Götz Spielmann im Panorama "beerdigt" worden, statt im Wettbewerb gezeigt zu werden, wo er hingehört hätte.
REVANCHE spielt in der österreichischen Provinz und erzählt eine wenig originelle Rachegeschichte mit bekannten Bausteinen: ein kleiner Gauner, seine Geliebte, ein Über- und ein Todesfall, ein schuldiger Polizist, seine Frau und die Chance zur titelgebenden Revanche.
Götz Spielmann hat es offensichtlich geschafft, die klischeehafte Standardhandlung so kunstvoll aufzubereiten, dass der Film einen sehr eigenenen Reiz ausübt. Die Erzählhaltung ist von "Geduld" und "respektvoller Distanz" geprägt, wie Daniel Kasman bei the auteurs schreibt; der Film lasse sich Zeit, insbesondere auf die Beziehungen der Figuren zueinander so genau einzugehen, wie es solch ein Genrefilm sonst nie tue. "Die Idee scheint zu simpel zu sein, aber das Ergebnis spricht für sich selbst: Bedächtigkeit kann aus dem Normalen etwas Herausragendes machen." Herausragend soll auch der Darsteller Johannes Krisch sein, ein Burgschauspieler, der hier "quasi eine Filmrolle seines Lebens wahrgenommen" habe, wie Claus Philipp im Standard schreibt.
Ich mag das Genre, habe viel übrig für intelligente Varianten einfacher Geschichten und bin deshalb sehr gespannt.
Preisgekrönt und auf der Nominierungsliste für den Auslandsoscar würde man erwarten, dass REVANCHE mit ein wenig mehr Begleitmusik und einer größeren Kopienzahl ins Kino kommt. Pustekuchen: Bei uns in der Kinoprovinz läuft er nur im 3001 und in den kleinen Sälen des Zeise, wird also auch schnell wieder verschwunden sein. Und andernorts wird das nicht viel anders verlaufen. Am Schicksal des schnellen Untergangs könnte höchstens noch ein Oscar etwas ändern. Aber der ging ja schon letztes Jahr an Österreich. Mal gucken.



Außerdem neu:




Tom Tykwers Eröffnungsfilm der Berlinale wurde von den deutschen Kritikern, offensichtlich erleichtert, dass es zum Festivalstart mal ausnahmsweise keinen reinen Schrott gab, oder weil man den internationalen Erfolg des deutschen Regisseurs unter keinen Umständen gefährden will, überwiegend positiv bis jubilierend aufgenommen, während das internationale Echo auf THE INTERNATIONAL deutlich mauer ausfiel.
Der Plot: Ein Interpol-Agent, gespielt von Clive Owen und Naomi Watts als Staatsanwältin machen rund um die Welt Jagd auf böse Banker, die in Waffenhandel verstrickt sind und weltweit Bestechung in großem Maßstab betreiben. Tykwer sieht sich selber nach eigenem Bekunden in der guten Tradition von Thrillern des New Hollywood wie DIE DREI TAGE DES CONDOR oder FRENCH CONNECTION; da liegt die Latte also verdammt hoch.
Ist es nun der "bessere Bond" und ein "fast perfekter Thriller" geworden, wie hierzulande behauptet wird, oder hat eher David Hudson vom IFC Daily recht? "Es ist nicht alles Tykwers Schuld, aber er hätte schnell merken müssen, dass das Drehbuch hoffnungslos ist. Autor Eric Singer hatte vielleicht die Absicht, die Paranoiathriller der Siebziger wiederzubeleben, hat aber stattdessen die allergrößten offensichtlichen Klischees zusammengepackt und hübsch eines nach dem anderen aufgereiht." Hudson macht sich außerdem über Dialogzeilen, die aus Glückskeksen stammen könnten, lustig und weist daraufhin, dass die Geschichte keineswegs einen Kommentar zur aktuellen Krise abgebe: "Banker im echten Leben sind keine diabolischen Genies wie in THE INTERNATIONAL; sie sind einfach mittelmäßige, kurzsichtige und gierige kleine Geschäftsmänner und -frauen."
Wirklich sehenswert scheinen die Eröffnungssequenz mit einem Mord im Berliner Hauptbahnhof zu sein und eine Viertelstunde Geballer im eigens nachgebauten New Yorker Guggenheim. Aber lohnt sich für die zwei Szenen ein Kinobesuch? Vielleicht sollte man bis zur DVD warten; da hat man dann eine Fast-Forward-Taste auf der Fernbedienung.
THE INTERNATIONAL läuft bei uns in sämtlichen Multiplexen und im Streits OF. Angesichts der viel gescholtenen peinlichen Dialoge in der Originalfassung sollte man aber vielleicht diesmal besser der deutschen Fassung eine Chance geben. Und die Kinos anderswo.




Schon wieder eine Bollywoodpremiere; zeitgleich zum indischen und britischen Start kommt ausgerechnet bei uns auch schon der neue Film mit Shah Rukh Khan in die Kinos. Und da weder auf dem Subkontinent noch sonstwo der Film vorab gezeigt wurde, ist nur bekannt, was der Verleih verrät. "Shah Rukh Khan spielt sich selbst: An der Seite des international renommierten Darstellers Irrfan Khan ist er als umjubelter Filmstar zu sehen, der mit Hilfe eines einfachen Frisörs zu sich und seiner Vergangenheit findet. Das Drama um wahre Freundschaft und die Schönheit des Lebens von Regisseur Priyadarshan präsentiert außerdem weitere Leinwandgrößen wie Om Puri, Lara Dutta und Deepika Padukone, Kareena Kapoor und Priyanka Chopra in Cameo-Auftritten." Wie immer gibt´s Ausschnitte von Gesang-und-Tanz-Pictuarisationen (schönes deutsches Wort, oder?) vorab:

Zu verdanken haben wir den erstaunlich frühen Start wie immer dem Verleih Rapid Eye Movies, dessen Sprecherin Nina Lobinger dazu sagt: "Deutschland ist einfach ein Phänomen. Es gibt ausgesprochen viele nicht-indisch-stämmige Bollywood-Fans, das ist in keinem anderen Land so. Dass dem so ist, daran sind wir natürlich nicht unschuldig. Wir haben das ganze vor einigen Jahren mit sehr viel Engagement aufgebaut und führen es auch weiter. Die deutschen Premieren sind durchaus aufwändig, zeitraubend und wenn auch nicht immer wirtschaftlich, zumindest emotional lohnend." Gefragt habe ich sie auch nach den nicht stattfindenden Pressevorführungen, ob das in Indien Tradition habe, oder eher der Raubkopiererei geschuldet sei. Nina Lobinger: "Soweit ich weiß gibt es diese Tradition der Pressevorführung in Indien einfach nicht und gab es so auch nie. Es gibt schon vereinzelte Vorab-Vorführungen, aber wirklich streng geheim. Ich denke, dass es einfach mit der so sehr unterschiedlichen Rezeption zu tun hat, mit den Kinokulturen. Ein Film wird in Indien dadurch ein Hit, dass die Songs gute Werbung machen, durch die Namen der Stars, und die Massen, die einfach begeistert sind und sich zwei-bis dreimal den Film angucken. Filmreviews weit im Vorfeld machen da gar nicht so viel Sinn (ein Großteil der Zuschauer ist zudem auch des Lesens gar nicht mächtig).
Aber die Angst vor Raubkopien ist natürlich zusätzlich da, ein Grund, warum auch wir keinerlei Material für Pressevorführungen bis einen Tag vor dem Filmstart bekommen."
BILLU BARBER läuft bei uns wieder, wie es besser für solch ein Spektakel nicht geht, auf der Riesenleinwand des Metropolis am Steindamm. Und hier andernorts.




EFFI BRIEST von Theodor Fontane musste ich in der Schule nicht lesen und dachte immer, dass mir da ein besonders ödes preußisches Frauendrama erspart geblieben sei, bis ich, eher zufällig, mir den ganzen Roman von Gert Westphal habe vorlesen lassen, und zwar mit Vergnügen. Nach dieser positiven Erfahrung habe ich allerdings weniger Lust denn je, mir eine Kostümfilmvariante des Stoffes anzutun. Zur Auswahl gab es bislang schon vier Adaptionen, keine davon ist als Meisterwerk bekannt, auch nicht Fassbinders Fernsehfilm mit Hanna Schygulla, der den weltrekordverdächtigen Titel trägt: FONTANE – EFFI BRIEST ODER VIELE, DIE KEINE AHNUNG HABEN VON IHREN MÖGLICHKEITEN UND IHREN BEDÜRFNISSEN UND TROTZDEM DAS HERRSCHENDE SYSTEM IN IHREM KOPF AKZEPTIEREN DURCH IHRE TATEN UND ES SOMIT FESTIGEN UND DURCHAUS BESTÄTIGEN.
Von einer Neuverfilmung von Hermine Huntgeburth, die sich ihren Ruf mit DIE WEISSE MASSAI versaut und den Titel bei einem vergleichsweise enttäuschenden EFFI BRIEST belassen hat, erwarte ich besonders wenig. Die Kritiken sind zum Teil wieder ganz freundlich wie meist bei deutschen Prestigeproduktionen, aber Barbara Schweizerhof findet in der taz recht deutliche Worte: "Deutsche Großschauspieler mühen sich in gut genähten Kostümen vor sorgfältig ausgewählten Kulissen redlich, während der Zuschauer sich in fataler Weise zurück in den Deutschunterricht versetzt fühlt …" Und: "Huntgeburth aber macht unmissverständlich deutlich, dass sie den ollen Fontane für überholt hält, indem sie die Geschichte auf eine Weise überarbeitet, die in ihren Augen wahrscheinlich eine Modernisierung darstellen soll. (...) Effis Gatte Instetten (...) ist ganz schlicht ein ziemlich widerwärtiger Gatte, der die schöne, junge Frau an seiner Seite als 'Trophäe' einsetzt, während er seine sexuelle Befriedigung bei der Hausdame findet. Folgerichtig nutzt Effi die Scheidung für ihre Emanzipation, fängt das Rauchen an und sucht sich einen Job. Fehlt eigentlich nur noch, dass ein neuer potenzieller Partner in die Nachbarwohnung einzieht. Das ist keine Modernisierung, das überbietet an Abgeschmacktheit den viel gescholtenen 'frauenaffinen' Fernsehfilm." Harald Martenstein hat sich nur über diese Veränderung des Schlusses eine Kolumne lang aufgeregt, lustigerweise so wie ich, ohne den Film überhaupt gesehen zu haben: "Als Nächstes nimmt sie sich womöglich Kafkas 'Prozess' vor und lässt Josef K. den Prozess in der zweiten Instanz gewinnen." Bei uns läuft EFFI BRIEST im Holi, Koralle, UCI Mundsburg und im UCI Othmarschen. (Und die Kinos andernorts.) Die Fassbinderfassung, falls wer an der mehr Interesse hat, gibt's übrigens überall auf DVD.




ER STEHT EINFACH NICHT AUF DICH! ist der Titel einer Komödie, die im Sex-And-The-City-Fahrwasser vor sich hinschippert. Wohl nur zu empfehlen für Hardcorefans von Scarlett Johansson, die allerdings nicht einmal eine große Rolle spielt. Der deutsche Titel dürfte ausnahmsweise mal eine erfreulich adäquate Übersetzung darstellen. In allen Multiplexen bei uns und hier andernorts.




Schon wieder so eine türkische Klamotte. Der Hauptdarsteller ist ein erfolgreicher Fernsehkomiker; der Witz scheint im Wesentlichen darin zu bestehen, dass er in dieser Rolle stark behaart ist und sich unflätig benimmt. Der Verdacht, dass türkischer Humor noch schlimmer ist als deutscher, wird Film für Film erhärtet. RECEP IVEDIK 2 läuft im UCI Wandsbek und im Cinemaxx Harburg. Und anderswo auch.




Am Freitag, den 13. startet in 17 Ländern parallel ein Remake des gleichnamigen Films. Nach zehn Sequels geht´s jetzt wieder von vorne los. Wie Scheiße, die einem Jahrzehnte am Schuh kleben bleibt. Zum Glück muss man sich den Schuh aber nicht mehr anziehen. Nur für Menschen, die von naturalistischem Gemetzel so aufgegeilt werden, dass sie alle anderen Ansprüche an einen Film einfach aufgeben. Der Regisseur ist der deutsche oder deutschstämmige Marcus Nispel, der sich, seit das mit den Videoclips nicht mehr so gut läuft, jetzt schäbigen Spielfilm-Remakes widmet. FREITAG, DER 13. läuft im Cinemaxx und in den UCI-Multiplexen. Hier die Kinos anderswo.



Wöchentliche Provinzialitätsmessung:


Anderswo startet auch diese Woche nicht mehr. Bereits zum dritten Mal in diesem Jahr. Im kompletten Jahr 2008 gab´s das nur zweimal. Hamburg ist also überhaupt keine richtige Kinoprovinz mehr, weshalb ich dieses Blog wegen Irrelevanz mit diesem Eintrag einstelle.



Weiterhin:



DIE KLASSE fand ich übrigens genauso großartig wie alle anderen, die sich nicht vom Thema und der befürchteten filmischen Kargheit haben abschrecken lassen. Fesselnd, unterhaltsam, ergreifend, trotz der selbst auferlegten rigorosen inhaltlichen und formalen Beschränkungen. Unfassbar gut gespielt und mit einem schönen und intelligenten Schluss, wie man ihn nicht alle Tage zu sehen bekommt. Ich rate wegen der dokumentarischen Anmutung dringend zur untertitelten Fassung, die freilich nach kurzem Intermezzo aus dem Abaton wieder verschwunden ist. Es gibt nur noch nachmittags die deutsche Fassung zu sehen, wie auch im Zeise und im Holi. Wir sind doch noch Kinoprovinz. Sogar in Heidelberg läuft er OmU. Ich mach' weiter.
Hier alle Kinos andernorts.

JERICHOW im Alabama, im Holi und im Koralle. Und hier andernorts.

LULU UND JIMI nur noch einmal spät am Sonntag im Abaton. Und hier andernorts.

ALTER UND SCHÖNHEIT nur am Montag im Cinemaxx Harburg. Und hier.

VICKY CRISTINA BARCELONA im Abaton OmU, im Zeise und im Passage. Und hier ansonsten.

BOLT nur noch nachmittags in sämtlichen Multiplexen und hier andernorts.

DER FREMDE SOHN im Abaton OmU, außerdem im Blankeneser und im UCI Mundsburg und nur noch nachmittags im Cinemaxx. Und hier andernorts.

WALTZ WITH BASHIR am Samstagmittag im Abaton. Und hier auch noch.

IT´S A FREE WORLD auch am Samstagmittag im Abaton. Und hier.



Außer der Reihe:



Im Metropolis: In der Reihe "Zweite Heimat" läuft unter anderem Franceso Rosis AUF ST. PAULI IST DER TEUFEL LOS, ein Sozialdrama um einen italienischen Gastarbeiter von 1959, das ganz nebenbei die schönsten Bilder von Hamburg einfängt, die ich je in einem Film gesehen habe. Weiter geht's auch mit der Romy-Schneider-Retrospektive, mit "Über Macht" und dem "Black History Month 2009". Außerdem Hayao Miyazakis Zeichentrickmeisterwerk PRINZESSIN MONONOKE im Kinderprogramm; da könnte es zur schönsten Traumatisierung manches Sechsjährigen kommen.

Am Donnerstag, wie letzte Woche schon angekündigt, stellt Josef Hader die neue Wolf-Haas-Verfilmung DER KNOCHENMANN im Abaton vor; am Freitag tritt er mit seinem Programm "Hader muss weg" im St. Pauli Theater auf. Die Vorstellung am Donnerstag fällt wegen stimmlicher Probleme Haders leider aus. Da war wohl wieder das Ingwermesser weg. Für Freitag gibt es noch Restkarten. Weitere Deutschlandtermine hier.



Dies und das:



Bis Sonntag hält der Rummel in Berlin noch an.

Das Berlinale-Blog des epd wurde seltsamerweise mitten im laufenden Betrieb zerhackt, so dass man nun höchst unkomfortabel auf einer Startseite mit zum Teil atemberaubend schlechten Autorenfotos zwischen den neu angelegten Einzelblogs hin- und herklicken muss. Jörg Buttgereit hat nicht nur als einziger ein akzeptables Foto bereitgestellt, sondern schreibt auch die schönsten Sachen auf, zum Beispiel:

"Dass die schönste Frau der Welt, der chinesische Weltstar Zhang Ziyi (DIE GEISHA, 2046, HERO), mit dem Wettbewerbsbeitrag FOREVER ENTHRALLED in Berlin ist, hat offenbar keinen interessiert. Die Pressekonferenz war halbleer und Zhang Ziyi höflich angespannt. Und natürlich schön. Leider hat sie in dem ebenfalls schönen aber auch ganz schön zähen Film von Chen Kaige (LEBEWOHL MEINE KONKUBINE) auch nur eine Nebenrolle. Denn eigentlich geht es um den Peking Oper Star Mei Langfang der von dem Popsänger Leon Lai verkörpert wird.
Ich mag Filme in denen man tollen Frauen dabei zusehen kann, wie sie schreckliche und schöne Dinge tun."

Die tägliche Presseschau zur Berlinale liefert weiterhin zuverlässig angelaufen.de; es bloggen weiterhin auch der Filmtagebuch-Thomas und Dave "The Daily" Hudson. Und auch beim Perlentaucher gibt es tägliche Berichterstattung von wohlbekannten Autoren.

So schrecklich viel Tolles scheinen wir Nicht-Berliner ja übrigens auch dieses Jahr nicht zu verpassen.



Christopher Blenkinsop von den 17 Hippies auf meine Frage nach seinem Lieblingsfilm:

"IVANHOE – DER SCHWARZE RITTER von 1952, Regie Richard Thorpe, nach dem Roman von Sir Walter Scott. Und zwar einzig und allein deswegen, weil ich mich schon als Kind verzweifelt gefragt habe warum dieser Depp von Held (Ivanhoe gespielt von Robert Taylor) sich für diese Matrone (Joan Fontaine) entscheidet und nicht für die schönste Frau der Welt : Rebecca (Liz Taylor at her very very very best!)
Das hat mich als Neunjähriger schlaflose Nächte gekostet, als Fünfzehnjähriger, als Endzwanziger und tut es heute noch – was für ein kolossaler Fehler. Das ist u-n-m-ö-g-l-i-c-h !
Hab den Film sicher 20mal gesehen, das Buch mindesten 5 Mal gelesen und wenn ich ein Buch auf eine einsame Insel ... (nee, das ist Quatsch)
Hab aber tatsächlich ein Foto von Liz zu Hause, habe das Scott Memorial in Edinburgh bestiegen und dort lamentiert, war in York, hab alles über die Templer gelesen ... ach ja ..."


Bei uns in Deutschland ist IVANHOE wohl der populärste Ritterfilm überhaupt, was damit zu tun haben könnte, dass die Buchvorlage hier auch schon immer ungewöhnlich beliebt war und, im Gegensatz zum britischen und amerikanischen Markt, früher wie heute, auch in Ausgaben für die Kinder- und Jugendbuchabteilung zu haben ist.
Interessant wäre, ob sich die Lego-, Playmobil- und Schleichritterburgen weltweit gut verkaufen oder die ganze Ritterwelt sich nur noch bei uns so großer Beliebtheit im Kinderzimmer erfreut. Sollten auch kleine Amerikaner noch mit Rittern spielen, ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis ein neuer Mittelalter-Blockbuster in Hollywood produziert wird, vielleicht nach bewährter Methode frisch angereichert mit normannischen Zombies in blechernem Kleid. Und mit Johnny Depp als Ivanhoe.
In den USA wird IVANHOE eher als ein Abenteuerspektakel unter vielen betrachtet, mit einem zu alten Hauptdarsteller für die Rolle, den man nehmen musste, weil das Studio keinen geeigneteren unter Vertrag hatte und mit Schauwerten, wie man sie von einer MGM-Großproduktion der Ära eben erwartet; bei imdb liegt die durchschnittliche Bewertung des Films gerade mal bei 6,8 – nicht viel, im Vergleich etwa zu BEN HUR (8,2). Die Musik beider Filme hat übrigens der große Miklos Rosza komponiert.

IVANHOE läuft seit Jahrzehnten alle Nas lang im Fernsehen, auch diese Woche, am Montag um 14:45 Uhr auf arte (ShowView 6.965.014). In Deutschland ist er auch zuerst auf DVD erschienen. Zumindest zu Beginn sollte man bei der DVD den Originalton mal einschalten, damit man nicht verpasst, wie Ivanhoe nach einer Übersetzung des Schreibens mit der Lösegeldforderung aus Österreich fragt, weil er kein Österreichisch ("Austrian") verstehe.







Christopher Blenkinsop darf ich hoffentlich ungestraft als den Kopf des eklektizistischen Nichts-ist-unmöglich-Orchesters 17 Hippies bezeichnen, das zur Zeit mit einer Besetzung von 13 Musikern die Bühnen der Welt belastet. Zeitweise waren bis zu 30 Musiker am Projekt beteiligt, die je nach Menge absolvierter Konzerte pro Jahr am Gewinn beteiligt wurden.
Die stilistischen Einflüsse sind mannigfaltig; Folktraditionen aus unterschiedlichsten Regionen dienen als Steinbruch; da scheint es keine Grenzen zu geben – Hauptsache, es lässt sich mit akustischen Instrumenten umsetzen. Während in der Anfangszeit des 1995 gegründeten Projekts vorwiegend Fremdkompositionen und Traditionals gespielt wurden, besteht das Repertoire inzwischen im Wesentlichen aus Eigenkompositionen.
Während andere das Problem haben, wie sie die im Studio produzierte Musik bloß auf die Bühne bringen sollen, ist die Grundidee der 17 Hippies, Musik zu machen, die man immer und überall vortragen kann. Und das gilt auch für die Studioalben wie "El Dorado", das gerade frisch erschienen ist.
Einen Bekanntheitsschub brachte die Komposition der Filmmusik von Andreas Dresens HALBE TREPPE, in dem bzw. auf der sie auch einen kleinen Auftritt haben. Was für ein Glücksfall, die erste Filmmusik gleich für einen der besten deutschen Filme im neuen Jahrtausend zu machen, der auch ökonomisch erstaunlich erfolgreich war.
Von der Wirkung ihrer kraftvollen Liveauftritte kann man sich zur Zeit überall im Land überzeugen, denn ab sofort sind sie in Deutschland auf Tour; sie spielen diese Woche in Rostock, Hamburg, Bochum, Bielefeld und Berlin. Hier sind sämtliche Termine und Tickets lassen sich auch gleich reservieren.
Die Fotos sind kein bisschen aktuell; ich habe sie vor neun Jahren aufgenommen, und wahrscheinlich sind die Hälfte der abgebildeten Musiker schon gar nicht mehr dabei. Frischer ist diese Aufnahme von einem Auftritt in New York im letzten Jahr:



Und ein Film, den wir glücklicherweise nicht gesehen haben:

Allesfilmer Richard Thorpe hat bei einer Menge mittelmäßiger Filme Regie geführt, die zum großen Teil in Vergessenheit geraten sind. Besonders gruselt es mich vor den operettenhaften Produktionen wie diesem Filmchen, das von vier Mädels, die ihren tollen Seebären von Mittelmeerhafen zu Mittelmeerhafen hinterherreisen, erzählt, unterbrochen von Gesangseinlagen von Connie Francis. Deutscher Titel: MEIN SCHIFF FÄHRT ZU DIR.



Umsonst und zuhause:


Am Donnerstag:

Der Berlinalesieger von 2007 jetzt zum ersten Mal im Fernsehen: ein Drama um eine Mutter, ihre zwölfjährige Tochter und die Folgen des Balkankrieges. Ja, es geht um die Massenvergewaltigungen und nein, es soll mehr als nur ein gutgemeintes Message Movie sein. Ob eine Auszeichnung wie der Goldene Bär nun gleich gerechtfertigt war, darf bezweifelt werden.
ESMAS GEHEIMNIS auf arte um 21:00 Uhr, ShowView 9.312.980



Auch am Donnerstag:

Wieder mal düstere Familiengeheimnisse, wieder mal eine Missbrauchsgeschichte, und das Innere der Figuren darf sich in einer kargen und rauen Landschaft, der Küste von Devon, spiegeln. Klingt zugegebenermaßen ziemlich furchtbar; das Regiedebüt von Tim Roth mit Tilda Swinton ist aber keine harte Durchschnittskost, sondern durchaus sehenswert. THE WAR ZONE auf 3Sat um 22:25 Uhr, ShowView 7.579.102


Am Freitag:

Scheint die Woche dafür zu sein: Nochmal Misshandlungen und Vergewaltigungen; diesmal sind Jungen in einem Erziehungsheim die Opfer. Erzählt wird auch die Vorgeschichte. Und die Rache danach – schließlich ist das hier ein Hollywoodfilm. Robert De Niro gibt einen verständnisvollen Pfaffen, und Regie führe Barry Levinson. Brad Pitt, Kevin Bacon und Dustin Hoffmann sind auch dabei. Viel besser, packender und cleverer, als man vermuten würde.
SLEEPERS, auf Vox um 20:15 Uhr. ShowView 11.059.690
Angesichts der beiden düsteren Plakate muss ich nochmal an GEO Epoche und seinen neuen, ähnlich daherkommenden Kontrahenten denken: Claudia Tieschky ist auf die freche Herausforderung des SPIEGEL in der Süddeutschen näher eingegangen und hat mit dem GEO-Epoche-Chef Michael Schaper gesprochen. "Markenzeichen von Geo Epoche ist der schwarze Rand auf dem Cover, der die Fotos so wunderbar zur Geltung bringt und beim Start 1999 gegen den Rat aller erfahrenen Grossisten gewählt wurde." Schon komisch, dass man Geschichtsthemen so düster verkaufen kann, Krimis aber nicht mehr. Der letzte, schnell und schmerzvoll gescheiterte Versuch war die schöne Reihe Dumont Noir.


Auch am Freitag:

Angeblich das einsame Meisterwerk von Enzo G. Castellari, dessen Name alles andere als ein Garant für Qualität ist. Ein Italowestern von 1976, der zu den besten des Genres gehören soll, mit einem guten Plot, souverän inszenierten Actionszenen und erstaunlichen Originalsongs im Soundtrack; da fühlte man sich offenbar inspiriert durch Sam Peckinpahs PAT GARRETT AND BILLY THE KID. KEOMA, im Ersten um 01:20 Uhr, ShowView 6.060.730



Auch am Samstag:

Ein bizarres Drama um eine Teenagerschwangerschaft und bekloppte Christen; die 12jährige Aviva wird dabei von 8 verschiedenen Darstellern unterschiedlichen Alters gespielt, je nachdem, aus wessen Perspektive gerade erzählt wird. Ein umstrittenes, aber in jedem Fall sehenswertes Experiment, JUNO in schräg und gut sozusagen. Von Todd Solondz (HAPPINESS, WELCOME TO THE DOLLHOUSE), der diese Jahr endlich mal wieder einen neuen Film fertiggestellt hat. Wer bei dem ungewöhnlichen Konzept an I'M NOT THERE von dem anderen Todd denken muss, liegt nicht ganz falsch: Selbst Darsteller mit anderer Haufarbe und anderem Geschlecht als der Figur wurden hier, zwei Jahre zuvor, auch schon eingesetzt. Aber nichts spricht gegen Ideenklau, wenn's zu einem guten eigenständigen Werk führt, oder? PALINDROME im WDR um 00:45 Uhr, ShowView 7.292.950



Am Sonntag:

Falls irgendwer den Jim-Jarmusch-Film von 2005 noch nicht kennt: Noch mal BROKEN FLOWERS mit Bill Murray in schönster Lost-in-Translation-Manier. Er klappert die alten Feundinnen ab, um herauszufinden, ob es stimmt, dass er einen erwachsenen Sohn hat. Ich könnte mir sowas täglich angucken, käme auch mit noch weniger Handlung aus, aber das geht wohl nicht jedem so. Im BR um 23:15 Uhr, ShowView 7.203.573
Tilda Swinton ist auch wieder dabei. Toll auch die Musik von Mulatu Astatke. Hier ein Track, der nicht im Film auftaucht:



Am Montag:

Ein Drama aus dem ersten Weltkrieg über das Über- und Weiterleben eines verstümmelten Soldaten. Soll eine solide und unsentimentale Literaturverfilmung sein. Die Vorlage stammt von Marc Dugain und hat so viele Seiten wie der Film Minuten. DIE OFFIZIERSKAMMER, eine deutsche Erstaufführung auf arte um 21:00 Uhr, ShowView 3.554.535


Am Dienstag:

Klassisches John-Ford-Epos, von 1939, in Farbe(!), spielt während des Unabhängigkeitkrieges 1776. Ein frisch verheiratetes Siedlerpaar bekommt es mit Irokesen zu tun, die von den bösen Briten instrumentalisiert werden.
TROMMELN AM MOHAWK, im WDR um 22:10 Uhr, ShowView 3.332.949


Auch am Dienstag:

Zum ersten Mal im Fernsehen: Ein Drama um kaputte Menschen in einer kaputten Landschaft, soll sehr überzeugend gespielt sein und auch komische Züge haben. Das Glück aus dem Titel ist nicht ironisch gemeint; das wird den Protagonisten wirklich eine Weile gegönnt. "Gedreht hat Bohdan Sláma den Film chronologisch über einen Zeitraum von zwei Jahren (...), auch um den Wechsel der Jahreszeiten zu respektieren und damit die kleinen Kinder im Film älter werden können. Wie sehr sich der Humanismus des Films mit dem seines Regisseurs deckt, äußert sich in einer wohl in der Filmgeschichte einmaligen Geste. Bohdan Sláma und seine Frau adoptierten die beiden Kinder, die im Film mitspielen, nach dem Ende der Dreharbeiten," berichtet Jörg Taszman beim epd. Von 2005. DIE JAHRESZEIT DES GLÜCKS auf arte um 00:40 Uhr, ShowView 2.869.727


Am Mittwoch:

Ein formal wohl sehr eigenwilliges Drama aus den Niederlanden um eine 42-jährige Mutter, über der alles zusammenkracht, als sie beginnt, ihre Autobiographie zu schreiben. Soll ungewöhnlich mit verschiedenen Handlungssträngen und Zeitebenen umgehen und gute, artifizielle Dialoge enthalten. Könnte große klasse sein oder aber auch prätentiöser Mist. "Lebe!" heißt der Originaltitel übersetzt; der Regisseur starb selbst allerdings noch vor der Premiere. IM LABYRINTH DES LEBENS, eine deutsche Erstaufführung, im Ersten um 00:35 Uhr.



Wie immer gibt es außerdem noch viele weitere sehenswerte und wohlbekannte Filme im Programm, beispielsweise APOCALYPSE NOW REDUX, DER SCHNEIDER VON PANAMA, THELMA & LOUISE, SCORPIO DER KILLER, STOPPT DIE TODESFAHRT DER U-BAHN 123, EXCALIBUR, DIE LETZTEN AMERIKANER, THE GAME, FLUCHTPUNKT SAN FRANCISCO, DIE UNBARMHERZIGEN SCHWESTERN und TRUE LIES. Wer suchet, der findet.



Eine Googleabfrage, die letzte Woche jemanden aus Jena auf diese Seiten führte: "abgewichste schwänze".


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen