Grünstichige Tableaux und ein Teenie mit Dickbauch

Woche 12/2008


Und noch ein toller Film im ersten Quartal: DAS JÜNGSTE GEWITTER von Roy Andersson aus Schweden. Erzählt wird nicht eine Geschichte, sondern viele kleine Szenen mit unterschiedlichem Personal, aufs akribischste liebevoll arrangiert und ausgestattet und von unschlagbar komischer Wirkung, so darf man hoffen. Die Farben immer blass, vor allem die Gesichtsfarben, die Bilder insgesamt blau- und grünstichig, eine kalte Welt und trockener Witz zum großen Vergnügen für mich und alle anderen Freunde von Beckett und Keaton.
Roy Andersson hat auch den eng verwandten SONGS FROM THE SECOND FLOOR gemacht und vor allem jede Menge Werbespots, die formal und inhaltlich erstaunlich nah an den Mosaiksteinchen von DAS JÜNGSTE GEWITTER dran sein sollen: Hier ein paar davon auf youtube.
Läuft im 3001 (OmU) und im Zeise.



Die Kritiker sind alle ganz begeistert von JUNO, in den USA lief er, bei niedrigen Produktionskosten, sehr erfolgreich in den Kinos und einen Oscar gab´s auch noch. Verwunderlich ist das nicht, es ist ein clever ausgedachtes Rezept: Man nehme ein (in den USA) brisantes Thema wie Teenager-Schwangerschaften, ein Drehbuch mit schnellen Sprüchen auf dem Witzniveau einer Vorabendserie, eine charmante Hauptdarstellerin, eine ordentliche Dosis Sentimentalität, garniere das Ganze mit Songs von Cat Power, Sonic Youth, Belle & Sebastian bis hin zu Velvet Underground und fertig ist der Mainstream-Hit mit Indie-Appeal. Eine kühl kalkulierte, modernisierte Variante des im Kern immergleichen "herzerwärmenden" Wohlfühlfilms, die es wirklich ausnahmslos allen recht machen will, bis hin zu den fanatischen US-Abtreibungsgegnern. Ins Kino gehe ich dafür bestimmt nicht. Sollte ich aber irgendwann einmal zufällig in die Fernsehaustrahlung reinzappen, bleibe ich vielleicht ein Weilchen dabei. Läuft im Abaton (OmU) und in den Multiplexen.



ABSURDISTAN ist ein deutscher Film von Veit Helmer, dem TUVALU-Regisseur, gedreht in Aserbeidschan mit Darstellern aus 16 Ländern. Ein burlesker Schwank mit skurrilen Figuren über den Sexboykott der weiblichen Bevölkerung eines irgendwie exotischen Dörfchens, visuell angestrengt originell und akustisch öde aus dem Off erzählt, begleitet von Blasmusik, bei deren Erklingen man spätestens an die möchtegern-barocken Spektakel eines Kusturica denken muss. Ob dessen Niveau erreicht wird, erscheint mir eher zweifelhaft, sehen will ich das aber so oder so nicht. Wer für drollige Exotismen mehr übrig hat als ich, geht ins Studio, Nachmittagsvorstellungen gibt es außerdem im Blankeneser.




Über den russischen Film THREE GIRLS von Murad Ibragimbekov habe ich nicht viel herausbekommen können. Gedreht wurde er ebenfalls in Aserbeidschan, es geht um drei Frauen mit einer Vorliebe für Schusswaffen, um Mafiosi und um einen Kunstraub. Die russophilen Leser dieses Blogs sind vielleicht schon allein deshalb interessiert, weil das Metropolis den Film OmU zeigt: Am Wochenende mittags um 12.15 Uhr, am Dienstag um 17.00 Uhr und am Mittwoch um 21.15 Uhr.


TÖDLICHER ANRUF ist offensichtlich ein völlig belangloses Remake von Takashi Miikes THE CALL, der auch schon nicht so doll gewesen sein soll. Das Böse kommt, wie unschwer zu erraten ist, aus dem Telefon. Lustiger fände ich geheimnisvolle Faxe. Oder nein, verhängnisvolle Botschaften auf Ansichtskarten wären noch besser. Wer sich langweilen will, geht ins UCI Mundsburg oder ins UCI Othmarschen.


Und noch eine sentimentale Komödie aus Hollywood: In DAN - MITTEN IM LEBEN! verliebt sich Steve Carell in Juliette Binoche. Muss man, glaube ich, nicht mehr zu sagen. Läuft in fast allen Multiplexen.



Außerdem und weiterhin:


NO COUNTRY FOR OLD MEN im Abaton OmU, außerdem im großen Passage mit der knarzigen Klappleinwand, im Blankeneser, im Zeise, im UCI Mundsburg und im UCI Wandsbek.

JELLYFISH im Abaton (OmU).

I´M NOT THERE nur noch nachmittags im Abaton OmU, in der deutschen Fassung auch abends im Zeise.

THERE WILL BE BLOOD im Passage.

13 TZAMETI im 3001.

MICHAEL CLAYTON im Blankeneser, im Cinemaxx und in den UCI-Multiplexen.

DER KRIEG DES CHARLIE WILSON im Fama.

SWEENEY TODD nur noch in Spätvorstellungen im Cinemaxx, im Cinemaxx Harburg und im UCI Othmarschen.



Filme, die wir glücklicherweise nicht gesehen haben, Folge 1:




Umsonst und zuhause:


Am Donnerstag auf Vox um 23.00 Uhr die kleine Gruselkomödie von Peter Jackson THE FRIGHTENERS.

Am Freitag zeigt SuperRTL ab 20.15 Uhr sämtliche Wallace & Gromit-Kurzfilme, erst die drei halbstündigen, anschließend die 10 ganz kurzen aus der Serie "Cracking Contraptions", erstmals auf deutsch. Im Original sind sie online auf der offiziellen Website frei zum abspielen.

In der Nacht von Samstag auf Sonntag zeigt arte um 00.20 LICHTER von Hans-Christian Schmid. Einer der besten deutschen Filme der letzten Jahre.

Am Sonntag dann Peter Jacksons jüngster Bombast: Das King-Kong-Remake von 2005, auf RTL um 20.15 Uhr.


Am Ostermontag werden zwei Perlen im Tagesprogramm des Ersten versendet: Miyazakis DAS WANDELNDE SCHLOSS um 8.00 Uhr, später die gelungene Lemony-Snicket-Verfilmung A SERIES OF UNFORTUNATE EVENTS um 13.10 Uhr.


Mit seinem Armenien-Film hat sich Atom Egoyan wohl etwas überhoben, aber es lohnt sich bestimmt, das gescheiterte Projekt in Augenschein zu nehmen: ARARAT läuft auf arte am Dienstag um 22.25 Uhr. Mit dem prominentesten Armenier überhaupt, Charles Aznavour.


Dies und das:







Das Grindel schließt für immer. Am Mittwoch, dem 26.3., öffnen sich ein letztes mal die Türen, dann folgt Leerstand und baldiger Abriss. Wirklich traurig ist das nicht, denn viel ist von dem Charme des einst wunderschönen 50er-Jahre-Großkinos nicht übriggeblieben. Erst wurde das flache Foyer in den 60ern mit einem öden Bürohaus überbaut, so dass der einst freistehende Saal nicht mehr von der Straße aus zu sehen war, dann übernahm in den 70ern der Ufa-Schachtelverbrecher Heinz Riech das Haus und verstümmelte den großzügigen Eingangsbereich mit dem Einbau von 2 zusätzlichen Vorführräumen. Immerhin blieb der große Saal innen unangetastet, bis in den 90ern die Ufakette panisch beim Multiplexrennen mithalten wollte und ausgerechnet das Grindel auserkor, zum "ersten Multiplex Hamburgs" umgebaut zu werden. Der große Saal bekam aussgesucht hässliche neue Wandverkleidungen und einen tristen grauen Vorhang, die Holzvertäfelungen verschwanden und die alte Bestuhlung natürlich auch. Die schäbigen Schachteln wurden wieder aus dem Foyer entfernt, das ingesamt erstaunlich scheußlich neugestaltet wurde und danach die Raumwirkung eines tristen U-Bahnhofhofs entfaltete. Neu angebaut wurden im Hof 5 Säle, die technisch den Multiplexstandards entsprachen und bei der Farbwahl für Sitze, Bodenbelag und Wandverkleidungen weitere Rekorde des schlechten Geschmacks aufstellten. Dann gewann Flebbe wenig überraschend mit seinen Cinemaxx-Häusern den Kinokrieg und die Ufa-Kette meldete 2002 Insolvenz an. Der jüngste Betreiber zeigte vor allem Filme in englischer Originalfassung und gab auch dem Sneak-Preview-Team ein Zuhause, das vorher im City im Steindamm beheimatet war. Es wurde investiert in neue 3-D-Digitaltechnik, es gab ein Extra-Familienkino-Programm und seltsame zottelige Eisverkäufer versuchten sich als Komiker in den Sälen, um ein individuelles Profil zu gewinnen, aber genützt hat das alles nichts mehr. Nun isses ganz aus und das hat vielleicht auch was Positives: Die Überlebenschancen anderer, weniger verhunzter Kinos könnten dadurch etwas steigen. Ganz direkt profitiert erst einmal das Streits am Jungfernstieg, dahin zieht ab sofort die Sneak-Preview. Originalfassungen wird es aber ansonsten ab sofort wohl nicht mehr viele in Hamburg geben, die Kinoprovinz wird noch provinzieller.


Kinos, Folge 19: Das Odeon in Berlin-Schöneberg

6 Kommentare:

  1. Ich habe keine Lust mehr, mir tolle Filme wie JUNO schlechtmachen zu lassen (möchte aber trotzdem weiter die Info-Mail bekommen).

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  2. Im Ernst? Toller Film? Warst Du drin?

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  3. Nö, Tish und ich hatten nur schon so viel Gutes darüber gehört (aus den USA) und gelesen, dass wir wild entschlossen waren, den Film zu gucken. Und als Du dann auch noch in Deiner Benachrichtigungsmail so eine schöne Vorlage geliefert hast ...

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  4. Na dann bin ich ja mal gespannt.

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  5. Also: Tish und ich waren vorgestern drin, und es ist vielleicht kein toller, aber doch ein guter bis sehr guter Film. Die meisten der von Dir voller Verachtung aufgelisteten Ingredenzien sind zwar tatsächlich da, aber sie stören nicht. Warum sollten sie auch? Die Hauptdarstellerin ist in der Tat entzückend, die Musik ist nicht nur durchgehend gut, sondern auch klug eingesetzt (ein wenig im Stil von Wes Anderson), das Maß an Sentimentalität ist für meinen Geschmack genau richtig, eine Anti-Abtreibungs-Botschaft lässt sich aus dem Film keineswegs ableiten, und die Dialoge müssen sich in der Tat mit denen in Fernsehserien vergleichen lassen, aber eben nicht mit denen aus den von Dir beschworenen „Vorabendserien“ (was auch immer damit heutzutage gemeint sein soll), sondern mit denen aus den zahlreichen mehr oder weniger genialen „neuen“ (amerikanischen) Serien, die es heutzutage gibt, und dann wird aus dem vermeintlichen Vorwurf ein weiteres Kompliment. Ich habe jedenfalls während des Guckens und hinterher angestrengt darüber nachgedacht, was man dem Film vorwerfen könnte, aber so richtig ist mir nichts eingefallen.

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  6. Guck mal hier, dem Rudi ist da einiges eingefallen und das klingt sehr plausibel: http://tinyurl.com/327ejz

    Ich hatte übrigens nicht über die Dialoge, sondern über das Witzniveau von Vorabendserien geschrieben. Vorabend ist vielleicht Quatsch, aber miese Serie meinte ich schon:"Wie konntest du dir überhaupt genug Pipi für drei Schwangerschaftstests rausdrücken?" ist der dritte Satz, der im Trailer fällt. Oder das Outfit des dämlichen Vaters...

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