Nördlich und südlich der Elbe: Kanak Sprak und Pickel

Woche 16/2008


Heinz Strunks FLEISCH IST MEIN GEMÜSE habe ich nicht gelesen bisher, bin mir aber sicher, dass die ganze Lobhudelei seine Berechtigung hat. Ihm sei der Erfolg gegönnt, nicht aber seinem Studio-Braun-Kollegen Rocko Schamoni, dem ich aus niederen Beweggründen, die ich Euch hier nicht darlege, den Erfolg mit DORFPUNKS (das wohl auch nicht schlecht ist) aus ganzem Herzen missgönne.
Jetzt also die Fleischverfilmung mit demselben wunderschönen Titel wie die Vorlage, das schreibe ich gerne noch mal hin, FLEISCH IST MEIN GEMÜSE.
Regie geführt hat TV-Routinier Christian Görlitz und nach deutschem Fernsehen sieht der Film wohl leider über weite Strecken auch aus. Erzählt wird Strunks autobiografische und skurrile Geschichte einer verkorksten Jugend und Musikerkarriere im schönen Landkreis Harburg. Strunk wird gespielt von Maxim Mehmet und der echte Strunk darf auch mal auftauchen und den Film kommentieren, ähnlich wie in AMERICAN SPLENDOR, ein geeignetes Mittel, um nicht in der Biopic-Falle hängen zu bleiben. Die Austattung ist liebevoll gemacht, viele schreckliche Tapeten und Pullover gibt es zu sehen, überhaupt scheint da erfreulich viel richtig gemacht worden zu sein. Die Kritiker bemängeln die Freiheiten, die sich Görlitz genommen hat, insbesondere würden die komischen Seiten des Stoffes viel zu weit in den Vordergrund gerückt werden. Aber wenn das stimmt, dass im Fleischgemüse viel Komik steckt, könnte man das durchaus positiv sehen: Vielleicht erleben wir ein veritables Wunder, nämlich einen geglückten, komischen deutschen Film. Der letzte, an den ich mich erinnern kann, war Bucks WIR KÖNNEN AUCH ANDERS von 1992 (!). Ich bin gespannt. Läuft im großen Zeise, im Studio, im Abaton, im UCI Wandsbek und in den Cinemaxx-Multiplexen.




Noch ein deutscher Film, der ein wenig danach aussehen soll, als wäre er eher für die Mattscheibe komponiert: CHIKO, für uns Hamburger ein Pflichttermin. Das Debüt von Özgür Yildirim erzählt eine Kleingangstergeschichte aus Mümmelmannsberg, der berüchtigten Großsiedlung mit Sozialer-Brennpunkt-Prädikat, die weniger schlimm aussieht, als ihr Ruf vermuten ließe. Es geht um deutschtürkische Jugendliche und um Gewalt und Drogen, man denkt an KURZ UND SCHMERZLOS und Regisseur Fatih Akin war es auch, der das glaubwürdige Milieu-Drama produziert hat. Der Film läuft im Zeise, im Abaton, im Cinemaxx, im UCI Mundsburg und im UCI Wandsbek. Für den zusätzlichen Kick empfehle ich die Spätvorstellung am Samstag im letztgenannten Kino.



ACTRICES ODER DER TRAUM AUS DER NACHT DAVOR ist der holprige deutsche Titel des neuen Films von und mit Valeria Bruni Tedeschi. Ein komischer Autorenfilm mit deutlich autobiographischen Zügen: Die 43-jährige kinderlose Schauspielerin erzählt von einer 40-jährigen kinderlosen Schauspielerin. "Heilige Jungfrau, gib mir einen Ehemann und ein Kind. Und ich verzichte auf Ruhm und Ehre!", wird gebetet, aber das hilft nix. In den Kritiken wird das selbstironische Lustspiel gern mit Woody-Allen-Filmen verglichen, wahrscheinlich nicht ganz zu unrecht. Wie viel sympatischer wirken doch die filmischen Ambitionen der Bruni Tedesci als der Ehrgeiz ihrer kleinen, singenden Schwester, die sich einen Präsidenten geangelt hat. Aber um ACTRICES mit Gewinn zu gucken, muss man wohl ein Minimum an Interesse für die Lebenskrisen von Theaterschauspielerinnen mittleren Alters aufbringen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das kann. Läuft im Studio (OmU) und im Holi.



KHADAK wurde wieder einmal im Lieblingssehnsuchtsland des europäischen Films dieser Jahre gedreht, in der Mongolei. Es ist aber keine weitere Dokumentation, sondern ein prätentiöser Spielfilm geworden, ein richtiger Scheißdreck, wenn man Ulrich Kriest vom filmdienst glauben darf, der das aber in anderen Worten sagt: "reaktionärer Kitsch, der mit den Mitteln eines abgehalfterten Regietheaters visuelle Effekte aus der Mottenkiste der Weltrevolution produziert, die in ihrer Kunstfertigkeit schlicht ärgerlich sind".
Läuft im Blankeneser und im Studio.



STREET KINGS ist ein lauter, blutiger und wahrscheinlich ziemlich bekloppter Polizeifilm mit Keanu Reeves. Am Drehbuch war James Ellroy beteiligt, aber offensichtlich ist das keine Garantie für einen guten Film. Läuft in den Multiplexen.

Das Metropolis zeigt diese Woche auch einen Polizeifilm, aber einen aus Ägypten, von Yousseff Chahine. CHAOS heißt er und ist wohl etwas unentschieden zwischen Kritik am korrupten Polizeiapparat und einer banalen Liebesgeschichte.



Für die Bollywood-Fraktion hat das Metropolis eine weitere Kostbarkeit aufgetrieben: Satyajit Rays PATHER PANCHALI von 1955, der erste Film einer Trilogie über das Heranwachsen eines Jungen unter ärmlichsten Bedingungen in Bengalen, gilt als großer Klassiker des indischen Kinos. Hier ein Link zum kostenlosen Download der Musik von Ravi Shankar, bereitgestellt von Oh, Sweet Nothing. Läuft am Montag um 21.15 Uhr und am Mittwoch um 19.00 Uhr, in OmeU.



Außerdem und weiterhin:


ABGEDREHT im Abaton (OmU), im Zeise, im Cinemaxx und nachmittags im UCI Mundsburg. Hier der "geschwedete" Trailer:



DAS JÜNGSTE GEWITTER eine letzte Woche im Blankeneser.

NO COUNTRY FOR OLD MEN im Magazin und spät im Cinemaxx.

TÖDLICHE ENTSCHEIDUNG im Abaton OmU und im Cinemaxx.

I´M NOT THERE nur noch in der deutschen Fassung im Elbe.

MICHAEL CLAYTON im Magazin.



Filme, die wir zum Glück nicht gesehen haben, Teil 5:

"Empfehlenswert für fröhliche Menschen - Nicht empfehlenswert für Mießmacher" steht inklusive ß im Kleingedruckten. Aus der Zeit, als ein zotiges Lied einen hinreichenden Filmstoff abgeben konnte.


Umsonst und zuhause:



Am Freitag auf arte um 21.00 Uhr: WILLENBROCK, ein toller Andreas-Dresen-Film, der unverdient im Schatten von HALBE TREPPE und SOMMER VORM BALKON steht. Den tragischen Autohändler in Magdeburg spielt Axel Prahl, wer sonst. Über dessen Rollen schrieb Peter Richter in ganz anderem Zusammenhang in der FAS vom 10.2.08: "Wenn wir (Ossis) keine Kinder schänden, töten wir Ausländer oder (eigentlich noch lieber) Wessis. Wir sind ekelhafte Ultrakarrieristen oder so ehrliche, sympathische Verlierertypen, wie sie Axel Prahl immer spielt, obwohl der ja eigentlich aus Kiel ist und verdammt froh sein kann, dass die Mauer gefallen ist, sonst gäbe es die Leute, der er darstellt, gar nicht." ShowView 1.062.166



Ebenfalls am Freitag und ebenfalls auf arte läuft erstmals im deutschen Fernsehen das psychedelische Spektakel MONTANA SACRA (TV-Titel: "Der heilige Berg") von Alejandro Jodorowsky. Prätentiös, spektakulär, bescheuert und unbedingt sehenswert. Produziert wurde der Film von Beatles-Manager Allen Klein, der von John Lennon dazu gedrängt worden sein soll. Lennon war begeistert vom Vorgänger EL TOPO, den arte nächste Woche zeigt. Jetzt aber erstmal MONTANA SACRA, um 23.35 Uhr. ShowView 6.384.760

3Sat zeigt parallel am Freitag um 22.55 Uhr noch einmal Ozons SWIMMING POOL, den schwülen Psychothriller mit Charlotte Rampling und Ludivine Sagnier. ShowView 6.767.586



Am Samstag um 20.15 Uhr läuft auf SuperRTL der schönste Kinderfilm aller Zeiten, der wie alles für die Zielgruppe, das was taugt, auch uns alten Leuten großes Vergnügen bereiten kann, der erste Ghibli-Film von Hayao Miyazaki mit Musik von Joe Hisaishi: MEIN NACHBAR TOTORO. Der Film von 1988 lief nie bei uns im Kino und wurde erstmals Ende letzten Jahres hier auf DVD veröffentlicht. Hoffentlich taugt die Synchronisation was. ShowView 61.162.797


Auch am Samstag um 22.45 Uhr auf arte: UNTER BOMBEN. Eine Frau sucht während der israelischen Angriffe auf den Libanon 2006 nach Familienangehörigen. Wurde viel gelobt. ShowView 7.834.155


Am Sonntag zeigt 3Sat um 22.50 Uhr DIE INVASION DER BARBAREN. Regisseur Denys Arcand widmet sich in dieser Komödie über Leben, Tod, Sex und Feundschaft erneut dem Personal von DER UNTERGANG DES AMERIKANISCHEN IMPERIUMS, 17 Jahre danach. Über den "Untergang" von 1986 urteilt das Filmlexikon: "Fragwürdig durch seine sarkastische und zynische Grundhaltung und seine blinden Attacken gegen Staat und Gesellschaft." Klingt gut, fand ich damals aber furchtbar langweilig. Vielleicht war ich zu jung? ShowView 98.379.198



DARWINS ALPTRAUM ist ein vielgelobter Dokumentarfilm, der von den desaströsen Folgen der Barschzucht im Victoriasee in Tansania berichtet. Schnörkellos und schockierend, Kapitalismuskritik wie sie überzeugender nicht sein kann. Auf arte am Dienstag um 21.00 Uhr. ShowView 1.867.613



Dies und das:


Letzte Woche haben zahlreiche deutsche Medien die Falschmeldung verbreitet, dass es den öffentlich-rechtlichen Sendern demnächst nur noch erlaubt sein soll, Filme und Serien in OmU zu zeigen. Völliger Quatsch natürlich, bedauerlicherweise, wie Thomas Groh im Filmtagebuch meint. Die Geschichte der so bemerkenswerten wie peinlichen Ente hat der stets verlässliche Stefan Niggemeier aufgearbeitet: hier und als es dann noch weiterging hier.



Kinos, Folge 23: In den Katakomben des Cinemaxx am Potsdamer Platz in Berlin



Eine Googleabfrage, die letzte Woche jemanden mit einer ip-Adresse des österreichischen Bundesministeriums für Landesverteidigung auf diese Seiten führte: "roboter+waffen+afghanistan"

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