Woche 22/2008
Der Inhalt von THINGS WE LOST IN THE FIRE aus den USA in einem Satz : Ein Familienvater kommt plötzlich und gewaltsam ums Leben, die Frau nimmt seinen Junkiefreund zuhause auf, dessen einzige Stütze durch den Tod weggebrochen ist und das Schicksal nimmt seinen Lauf.
Zugegeben: Klingt grauenhaft, ist es wohl aber nicht. Regie führte die Dänin Susanne Bier, die auch den schönen OPEN HEARTS realisiert hat, in den Hauptrollen sind Benicio del Toro und Halle Berry zu sehen, die so gut sein soll wie in MONSTER´S BALL. Klar, es gibt jede Menge große Gefühle, aber zurückhaltend und unaufdringlich ist es inszeniert mit Raum für großartige schauspielerische Leistungen. Ein US-Melodram ohne Kitsch und Sentimentalitäten, ein rares Gut heutzutage. Läuft im schönen, großen Klappleinwandsaal des Passage, außerdem im UCI Mundsburg und im UCI Othmarschen.
Am Mittwochabend wurde bereits das diesjährige japanische Filmfest eröffnet, hier das vollständige Programm. Geboten werden wie immer aktuelle Filme aus Japan, die fast durchweg nicht regulär im Kino laufen werden. Wie im vergangenen Jahr, wo schon mancher schwer enttäuscht war, liegen allerdings von den meisten Filmen auch hier keine Kopien vor, gezeigt wird stattdessen oft nur niedrig aufgelöster Digitalmist. Wenn im Programm nicht ausdrücklich "35mm" dabeisteht, kann man sich die Filme also besser auf DVD beschaffen oder aus dem Netz ziehen. (Eigentlich unfassbar, dass ausgerechnet enthusiastische Festivalgänger verprellt werden, man muss da fast von suizidalen Tendenzen des Kinos sprechen).
Filme, die als Filme und nicht als Digital Video gezeigt werden:
FACES OF A FIG TREE, ein absurdes, überbordendes Spektakel in grellen Farben, voll liebevoller Details und surrealer Komik.
A BRIDE OF NOTO, ein japanischer Heimatfilm.
FUCKIN RUNAWAY, ein, na was wohl, Roadmovie.
DAINIPPONJIN, eine Mockumentary über einen 40-jährigen Loser, der sich in einen Riesen verwandeln kann und als solcher gegen Monster antritt. Sehr sehr seltsam.
LOVE DEATH, ein actionreiches Yakuzaspektakel.
MAIKO HAAAN!!!, eine Komödie mit Geishas und Baseballstars.
BLOODY SNAKE UNDER THE SUN, ein Familiendrama zur Zeit des Vietnamkrieges, spielt auf Okinawa, das von der U.S. Armee und Yakuzas beherrscht wird.
TWILIGHT PHANTOM, noch ein Okinawafilm, diesmal mit Gespenstern.
BAKUSHI, eine Doku über Fesselungsspiele (Shibari).
Die genauen Vorstellungstermine finden sich auf den verlinkten Seiten jeweils unten oder beim Kinonauten, die beteiligten Kinos sind das Metropolis , das 3001 und das B-Movie.
Außerdem neu:
Das unnötige Hollywood-Remake eines Hongkong-Geisterfilms von 2002, THE EYE. Violonistin kann nach Augenoperation Gespenster sehen. Das Original, GIN GWAI, gibt es auf DVD und soll atmosphärisch dicht und überzeugend sein, die Story allerdings wenig Neues bieten. Im Cinemaxx, Cinemaxx Harburg und den UCI-Multiplexen.
Und: Noch ein unnötiges Remake, Michael Haneke hat seinen pädagogischen Schocker FUNNY GAMES noch einmal für das internationale Publikum wiederholt, mit Tim Roth statt Ulrich Mühe, der Titel der US-Kopie ist konsequenterweise FUNNY GAMES U.S. Sollte jemand sich für Hanekes Belehrungen interessieren: Das Original läuft diese Woche in der Nacht von Samstag auf Sonntag um 0.05 Uhr auf Tele5, ShowView 7.827.130. Den Wiedergänger zeigt das Abaton OmU, läuft außerdem im Zeise. Und nicht in den Multiplexen, wo er das Publikum finden könnte, das Haneke erziehen will.
Da er von allen Seiten Schläge kassiert zur Zeit, sei daran erinnert, dass der Österreicher auch so gute Filme wie CACHÉ, DIE KLAVIERSPIELERIN und CODE: UNBEKANNT gemacht hat.
Und: Die Serienliebhaber werden zur Kasse gebeten. SEX AND THE CITY läuft überall, nicht nur in den Multiplexen, auch im Streits OF, im Abaton OmU, im Holi, im Koralle und im Blankeneser. Das Fernsehen feiert seinen Triumph im Kino.
Und: Noch ein U.S. -Remake, Steve Buscemi hat Theo van Goghs INTERVIEW nachgedreht. Lustloser Politikschreiber spricht mit Soap-Starlet. Der neue Film heißt ebenfalls INTERVIEW, der Interviewer ist Buscemi selber, die Interviewte Sienna Miller und das theaterhafte Dialogspiel absolvieren sie wohl recht kurzweilig. Das Original des ermordeten, niederländischen Filmemachers ist bei uns weder im Kino gelaufen, noch als DVD erschienen, die stets verlässlichen Hamburger Bücherhallen haben aber ein Exemplar mit englischen Untertiteln im Bestand. (Vormerkgebühr: 1,50 EUR). Buscemis Remake läuft im Studio.
Unter freiem Himmel:
Das kostenlose Freiluftkino auf dem Rathausplatz geht bis Sonntag weiter, Beginn täglich nach Einbruch der Dunkelheit.
Am Donnerstag läuft Lubitschs RENDEZVOUS NACH LADENSCHLUSS mit James Stewart.
Am Freitag dann THANK YOU FOR SMOKING, eine Satire über Lobbyismus und andere Verlogenheiten von Reitman jr., zuerst bitterböse, ist dann aber leider nicht frei von einsetzender Läuterung.
Noch eine Satire dann am Samstag, da wird DER TEUFEL TRÄGT PRADA gezeigt, der Teufel ist hier weiblich und gleicht der ehemaligen Vogue-Chefin Anna Wintour.
Weiterhin:
PARANOID PARK an einigen Tagen im 3001 (OmU).
TÖDLICHE ENTSCHEIDUNG ("The Devil Knows You´re Dead") im Alabama.
DIE GESCHWISTER SAVAGE im Fama, aus dem leider die Muminpappfiguren entfernt wurden.
BRÜGGE SEHEN UND STERBEN? im Abaton OmU, im Passage, im Zeise und im UCI Wandsbek.
FLEISCH IST MEIN GEMÜSE im Passage, im Zeise, im Abaton, und im Studio.
CHIKO im Abaton, spät außerdem im Cinemaxx und im UCI Wandsbek.
INDIANA JONES UND DAS KÖNIGREICH DES KRISTALLSCHÄDELS manchmal im Streits OF, im Koralle und in den Multiplexen.
Die Eloge von Thomas Groh im Filmtagebuch hat mir den Mund jetzt doch recht wässerig gemacht.
Dies und das:
Gerade lief noch MICHAEL CLAYTON im Kino, jetzt ist Sydney Pollack tot. Hier ein Nachruf von Fritz Göttler in der SZ.
Und am Mittwoch startet das internationale Kurzfilmfestival. Wer sich schon schlau machen will, findet hier alle Informationen. Achtung: Die Programme mit Kinderfilmen (Mo & Friese) laufen schon ab Sonntag.
Filme, die wir zum Glück nicht gesehen haben, Folge 11:
Hera Lind, Bernd Eichinger, Sönke Wortmann, Veronica Ferres, Til Schweiger, Heiner Lauterbach... Viele gute Gründe zum Davonlaufen. Der beispielhafte deutsche Erfolgsfilm der 90er Jahre, ausgezeichnet mit dem Prädikat "Besonders Wertvoll".
Umsonst und zuhause:
Am Donnerstag auf Tele 5 um 20.15 Uhr: C.R.A.Z.Y. - VERRÜCKTES LEBEN, eine kanadische Familiengeschichte von 2005, ausgebreitet über 2 Jahrzehnte. Soll nur so strotzen vor Einfällen und Witz. Ich bin gespannt. ShowView 7.311.875
Vox zeigt am Samstag um 20.15 Uhr ONE HOUR PHOTO, ein hübscher kleiner Psychothriller mit einer höchst ungewöhnlichen Rolle für Robin Williams: Er spielt einen Fotolaboranten, ein gestörter Einzelgänger, der sich mit Hilfe der Bilder seiner Kunden eine Familienwelt zusammenbastelt, die im Film natürlich zum Einsturz gebracht wird. Beeindruckend die kalte Atmossphäre, tolle Bauten, tolles Licht. So künstlich kann es aussehen und trotzdem realistisch sein. ShowView 239.412
Auf Bayern 3 laufen die ganzen Mongolei-Semi-Dokus der letzten Jahre am Samstagabend nonstop: Erst DIE HÖHLE DES GELBEN HUNDES um 20.15 Uhr, dann DIE GESCHICHTE VOM WEINENDEN KAMEL um 21.50 Uhr und schließlich MONGOLIAN PING PONG um 23.15 Uhr. Allesamt ausgesprochen gut geeignet auch für Kinder. Also alles aufnehmen für einen Mongolischen Familien-Fernseh-Vormittag. ShowView 8.992.783, 3.975.899, 2.383.306
Das FUNNY-GAMES-Original, läuft wie gesagt, in der Nacht von Samstag auf Sonntag um 0.05 Uhr auf Tele 5. ShowView 7.827.130.
Auch in der Nacht von Samstag auf Sonntag zeigt 3Sat um 4.25 Uhr Kim Ki-Duks FRÜHLING, SOMMER, HERBST, WINTER UND... FRÜHLING. Mir waren das damals zuviel Zen und zu viel schöne Bilder, aber diesmal werde ich reinschauen. Lief erfolgreich im Kino, trotzdem haben seine beiden letzten Filme hier keinen Verleih mehr gefunden. ShowView 25.649.064
Auf Pro7 läuft am Sonntag um 20.15 Uhr Spielbergs Köpenickiade CATCH ME IF YOU CAN mit Leonardo Di Caprio. Beruht auf einer wahren Geschichte und hat darum zwar erst viel Schwung, aber leider keinen guten Plot. ShowView 63.549.371
Später, in der Nacht zum Montag läuft in der ARD um Mitternacht eine schwedische Mischung aus Coming-Of-Age-Drama und Kriminalfilm: KIM NOVAK BADETE NIE IM SEE VON GENEZARETH. Spielt in den 60ern, ist wahrscheinlich nicht gerade klischeefrei, soll aber exzellente Dialoge, gute Schauspieler und eine ebensolche Kameraarbeit vorweisen können.
ShowView 74.005
Schon wieder auf Tele5 gibt es am Montag PIECES OF APRIL zu sehen, eine Tragikomödie über den Versuch einer aufmüpfigen Tochter, sich mit ihrer krebskranken Muter zu versöhnen. Soll realistisch und manchmal außerordentlich komisch sein. Mit Katie Holmes und Patricia Clarkson. ShowView 2.256.753
OPEN WATER ist ein ein kleiner, sehr effektiv inszenierter Thriller, der alles, was möglich ist, aus seiner einfachen Grundidee herausholt. Tauchurlaub in der Karibik, ein Paar wird im offenen Meer vergessen und bald kommen die Haie. Auf Kabel1 am Mittwoch um 20.15 Uhr. ShowView 44.920
Später am Mittwoch zeigt arte um 22.20 Uhr WILBUR WANTS TO KILL HIMSELF, die in Schottland gedrehte Tragikomödie der Dänin Lone Scherfig, die großen Erfolg hatte mit ITALIENISCH FÜR ANFÄNGER. Dogma, wisst Ihr noch? ShowView 1.682.297
Kinos, Folge 29: Das Alabama in Hamburg-Winterhude
Wenig charmanter Schuhkarton auf dem Kampnagelgelände, dümpelt leider mäßig ambitioniert als reine Nachspielstätte vor sich hin, schade vor allem, da das ursprüngliche Alabama in Hamburg-Eidelstedt ein legendäres Programm hatte, es war Veranstalter der berühmten Gore-Nights, lockte aber auch fern von Splatter und Gothic Bands ins Kino, deren Auftritt immer mit einer Filmvorführung kombiniert wurde. Ist mir unbegreiflich, wieso niemand versucht, an diese Tradition anzuknüpfen. Vielleicht ändert sich ja mal aus reiner Verzweiflung etwas am langweiligen derzeitigen Kinokonzept des Nachfolgers.
Eine Googleabfrage, die letzte Woche jemanden auf diese Seiten führte: "franzosen sexuell nicht brüde wie deutsche"
Im Feuer verloren gegangene Dinge, Japanisches und lauter Wiedergänger
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Wow, das ist ja mal wieder eine geballte Ladung! Stimmt sicher alles, nur in einem Fall muss ich wiedersprechen: "Code: Unbekannt" ist mitnichten großartig, sondern prätentiös und langweilig, wovon wir uns vor vielen Jahren im VC überzeugen konnten. Ersetz ihn doch einfach durch "Die Klavierspielerin", dann hast Du auch gleich Juliette Binoche gegen Isabelle Huppert ausgetauscht. Und bei der Gelegenheit kannst Du dann ja auch das sicherlich nicht nur bei mir Krätze erzeugende Plakat zu "Sex und City" sowie das überzählige Komma zwischen "langweiligen" und "derzeitigen" ganz am Ende rauslöschen.
AntwortenLöschenDanke für die Hinweise, das Komma ist weg, das widerliche Plakat bleibt da. Und zu Haneke: Ich mochte "Code: Unbekannt", trotz Binoche, "großartig" ist aber vielleicht zu stark. Aber die Huppert gegen die Binoche auszutauschen ist natürlich immer und in jeder Hinsicht eine gute Idee.
AntwortenLöschenNa, nu ratet mal, wer zu dem Krätze erzeugenden Plakat gerade eine Kritik geschrieben hat …
AntwortenLöschenOha, von so ungefähr 500 Pressevorführungen im Jahr suchst Du Dir ausgerechnet das aus? Oder hat man Dich gezwungen?
AntwortenLöschen(Und wo ist die versprochene Plakatkritik? Musst Du eigentlich noch nachliefern)
Ich gelte redaktionsintern als „S&C“-Fachmann, seit ruchbar wurde, dass ich gemeinsam mit D. alle Staffeln gesehen habe.
AntwortenLöschenDie Plakatkritik haben doch schon andere hingelegt, sogar der Blogchef selber …