Allen ohne Allen, Clooney als Grant und zuhause nur arte

Woche 23/2008



CASSANDRAS TRAUM steht in der Tradition britischer Sozialdramen à la Leigh oder Loach: Zwei Brüder, gespielt von Ewan McGregor und Colin Farrell, kaufen sich gemeinsam ein Boot und träumen vom besseren Leben, für das es bald aber keinerlei finanzielle Grundlage mehr gibt, so dass sie in Versuchung geraten, gegen Bezahlung ein Kapitalverbrechen zu verüben.

Für den Film spricht:

- ist von Woody Allen

- selber spielt er aber nicht mit

- Scarlett Johannson auch nicht

- ist nicht komisch (will´s auch nicht sein)

- Schauplatz ist erneut London

Dagegen spricht allerdings auch so einiges:

- ist von Woody Allen

- selber spielt er aber nicht mit

- Scarlett Johannson auch nicht

- ist nicht komisch (will´s auch nicht sein)

- Schauplatz ist erneut London

Es ist wahrscheinlich besser, sich den thematisch verwandten, aber viel mehr versprechenden TRUE NORTH, der vor 2 Wochen gestartet ist, anzugucken, falls es dazu noch eine Gelegenheit geben wird. Und auf den nächsten Allen-Film zu warten, übrigens auch wieder mit Scarlettchen. Im Fernsehen sind diese Woche außerdem drei seiner Klassiker aus den 70ern zu sehen.

Wenn er selber mitspielt, gehören seine Filme zu den wenigen, die ich mir auch gerne in einer Fassung angucke, in der die Mundbewegungen nie ganz mit dem gesprochenem Wort übereinstimmen. Das liegt am formidablen Synchronsprecher Allens, Wolfgang Draeger, gegen dessen Stimme Allens eigene geradezu lahm und langweilig klingt. Ähnlich ging mir das früher mit Robert De Niro, bis der viel zu viel beschäftigte Christian Brückner mit seiner Allgegenwart zu nerven begann. Grundsätzliches zum Thema OmU vs. DF hat Thomas Hunziker neulich in seinem Filmblog geschrieben: "Ich behaupte keinesfalls, dass Kinogänger, die synchronisierte Filme bevorzugen, doof sind (...), aber faul sind sie sicher."
CASSANDRAS TRAUM läuft im großen Klappleinwandsaal des Passage, außerdem im Zeise und im Abaton.


Wenn es einen derzeitigen Hollywoodstar gibt, der den großen Darstellern der klassischen Srewball-Komödie wie Cary Grant oder James Stewart das Wasser reichen kann, dann ist das George Clooney. Er scheint aber zu finden, dass ihm zu wenig Rollen angeboten werden, die ihm Gelegenheit geben sein diesbezügliches Talent unter Beweis zu stellen. Jedenfalls hat er jetzt (schon zum dritten Mal) selber Regie geführt bei einem Film, der sich an den Komödien der späten 30er und 40er Jahre orientiert und ihm selber in der Hauptrolle reichlich Raum für Charme und schlaue Sprüche gibt: EIN VERLOCKENDES SPIEL mit Renée Zellweger als Gegenpart.
Leider spielt der Regisseur Clooney offensichtlich nicht in der Liga von Howard Hawks oder Frank Capra, seine Hommage soll bei zwar ganz erquicklichen Dialogen insgesamt etwas schwerfällig und lahmarschig sein. Und die Handlung ist in den 20er Jahren angesiedelt, so dass die Komödie zum Kostümfilm gerinnt und alle Leichtigkeit unter der penibel zusammengesuchten Ausstattung verschwindet. Und um welches Spiel geht´s überhaupt? Um Football. Och nö. Läuft im Holi.




Das Internationale Kurzfilm Festival hat am Mittwoch angefangen und läuft noch bis einschließlich Montag in 5 Kinos, hier ist der Programmplan als PDF. Man kann natürlich auch auf die Kurzfilmprogramme pfeifen und nur abends den Festivalclub aufsuchen, auch wenn´s da nicht mehr ganz so schön wird wie zu den Zeiten, als das Festival noch "No Budget" hieß und die Partys vom Funclubteam ausgerichtet wurden. Empfohlen sei jedenfalls besonders die Datscha Party am Samstag, Veranstaltungsort ist das Kulturforum Altona in der Jessenstraße 4. Wer eigentlich Interesse hat, aber von EM und Wetter vom Kinobesuch abgehalten wird, hat noch einmal am 14.6. ab 20.00 Uhr Gelegenheit die interessantesten und preisgekrönten Filme in der "No Nite" im Metropolis zu sehen, eine schöne Tradition, die dadurch enstand, dass sich das "No Budget Festival" in dieser Form beim alljährlich wenige Wochen später stattfindenden "Low Budget Festival" vorgestellt hat. Vor zwei Jahrzehnten.



Außerdem neu:



Eine Rom-Com mit märchenhaften Zügen, die arme Hauptfigur muss mit einer Schweinenase durchs Leben laufen, Grund dafür ist ein Familienfluch, gegen den Liebe aber hilft. Die bedauernswerte Christina Ricci ist soweit gesunken, dass sie diese Rolle angenommen hat, in der sie aussieht wie das Sams, nur ohne Wunschpunkte und ohne Taucheranzug. Erst soll´s sogar etwas an Tim Burton erinnern, dann aber jeden narrativen Schwung verlieren, bis endlich das zuckrige Ziel erreicht wird. Nur für kleine bis pubertierende Mädchen geeignet. PENELOPE läuft in den UCI-Multiplexen und im Cinemaxx Harburg.


Und: Ein italienisches Melodram um ein schwules Paar und einen Schicksalsschlag. Einer der beiden kippt mitten bei einem Essen mit Gästen plötzlich um. Hirnschlag. SATURNO CONTRO erinnert angeblich an Almodovars SPRICH MIT IHR, nur etwas zahmer, glatter und verzichtbarer. "Ein optimistischer Film voller Humor über Freundschaft, Tod und Seitensprünge", so die Pressemitteilung. Wen das anspricht, der geht vielleicht ins Studio.




Und: Das Remake eines müden Metzelfilms von 1980, in dem Jamie Lee Curtis erneut rumkreischen durfte, damals ein billiger Versuch, auf der HALLOWEEN-Welle zu reiten. Die vollkommen unnötige Neuauflage soll das Original noch in jeder Hinsicht unterbieten. PROM NIGHT läuft in den Multiplexen.


Und: Ein debiler Footballfilm. THE COMEBACKS läuft im UCI Wandsbek und geht uns hoffentlich nächste Woche auch gleich wieder aus den Augen und aus dem Sinn.




Und: Sind sie erst einmal tot, dann wird Popmusikern gerne ein Biopic nachgeworfen, inzwischen selbst deutschsprachigen Sangeskünstlern. Herbert, Udo, Marius und Wolfgang kommen auch noch dran. FALCO - VERDAMMT, WIR LEBEN NOCH läuft im Cinemaxx.



Weiterhin:



THINGS WE LOST IN THE FIRE im Passage nur noch um 18.00 Uhr, außerdem im UCI Mundsburg und im UCI Othmarschen. Wird leider wohl schnell wieder raus sein aus den Kinos.

BRÜGGE SEHEN UND STERBEN? im Abaton OmU, im Passage, im Zeise und im UCI Wandsbek.

FLEISCH IST MEIN GEMÜSE im Magazin, im Blankeneser, im Abaton und im Studio.

CHIKO im Abaton, im Studio und im UCI Wandsbek.

INDIANA JONES UND DAS KÖNIGREICH DES KRISTALLSCHÄDELS manchmal im Streits OF, im Koralle und in den Multiplexen.



Filme, die wir zum Glück nicht gesehen haben, Folge 12:

Die schreckliche Binoche und Johnny Depp als so eine Art Zigeunerbaron im idyllischen ländlichen Frankreich der 50er Jahre, garniert mit schwelgerischen Aufnahmen von Süßwaren. Muss völlig unerträglich sein. Die imdb-Nutzer sehen das aber anders, die durchschnittliche Wertung liegt bei sagenhaften 7,3 Punkten und die Kommentare sind überschrieben mit: "What a wise and beautiful movie!" oder "Taste-teasing Mouthmelting Movie Magic" oder "A Sweet Delight!", so geht das seitenweise. Hat Depp noch irgendetwas ähnlich schreckliches verbrochen?



Umsonst und zuhause:



Zu Jahresbeginn wünschte ich mir Klaus-Lemke-Filme im Fernsehen oder anderswo und hier ist endlich der erste, arte sei dank: ARABISCHE NÄCHTE mit Cleo Kretschmer, soll sehr komisch sein, höchst eigenwillig mit viel Improvisation sowieso. Am Freitag um 23.20 Uhr, ShowView 2.269.148




In der Nacht von Samstag auf Sonntag, wieder auf arte, gibt es das polnische Drama von 2003 mit dem Titel BERÜHR MICH! Episodisch werden ganz normal verkorkste Menschen vorgestellt, die ihr ganz normal verkorkstes Leben leben und nach Liebe suchen. Soll manchmal komisch und manchmal düster und immer gut sein. (in OmU!) Um 00.05 Uhr, ShowView 2.937.682




Und wieder auf arte läuft am Sonntag eine experimentelle Collage aus Spielfilmschnipseln, die sehr hübsch anzuschauen sein soll, aber inhaltlich wohl etwas wirr ist. IMITATIONS OF LIFE (IN TEN PARTS) von Mike Holboom wird um 23.55 Uhr ausgestrahlt, (auch in OmU!) ShowView 1.915.750




Eben noch im Kino und schon im Fernsehen, auf arte natürlich, läuft die Dokumentation RUBLJOVKA. Ein Film über die sehr unterschiedlichen Anwohner der Moskauer Prachtstraße. Soll ein Bild des neuen Russland ergeben, vielleicht etwas russophob, bestimmt aber interessant. (Und wieder OmU!) Am Dienstag um 23.00 Uhr, ShowView 5.255.923




Am Mittwoch schließlich zeigt arte (auch wieder in OmU!) in deutscher Erstaufführung ein Drama aus der chinesischen Provinz: TAG UND NACHT. Es geht um Ehebruch, um einen Tod im Bergwerk und um schwere Schuld, soll ruhig und eindringlich erzählt sein. Um 22.30 Uhr, ShowView 843.324 (kein VPS)




Kinos, Folge 30: Das UCI Mundsburg in Hamburg-Uhlenhorst

Auch eine Art, das Kino zum Verschwinden zu bringen: Die Lage des Säle ist nicht einmal zu erahnen, die Kassen liegen in einem schmalen Gang der Einkaufspassage im zweiten Stock zwischen Dönerbuden und Bäckerverkaufstellen, über eine schmale Rolltreppe gelangt man mit seiner Eintrittskarte noch eine Etage höher in das dunkle "Foyer", ein Raum, der gefüllt ist mit Verkaufstresen und Pappaufstellern mit dem Charme eines Elektromarkts. Wenn man im Saal ist und das Licht ausgeht, kann man das Umfeld endlich vergessen und sich immerhin am 35mm Bild auf einer großen Leinwand, am guten Ton und bequemen Sitzen erfreuen. Die Abbildung zeigt den einzigen Bereich, der etwas großzügiger gestaltet ist: Der Eingangsbereich des gesamten Centers, nicht des Kinos. Werden dafür Filme gemacht?


Eine Googleabfrage, die letzte Woche jemanden auf diese Seiten führte: "unvergessliche Sexszenen" (1. Treffer!)

4 Kommentare:

  1. So viele neue Filme, und kein einziger verlockt zum Kinobesuch! Hatte heute morgen beim Überfliegen des Mopo-Filmteils schon geahnt, dass Deine Ausbeute in dieser Woche eine klägliche sein würde.

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  2. Ja, ich schließ mich Andreas an; meine Quelle war DeutschlandRadio Kultur, gestern schon. Was ist eigentlich DER Film, den man zur Zeit gesehen haben muß? Hab zur Zeit keine Zeit für verschwendete Zeit; Kinobesuch sollte sich lohnen. Also, nennt mir Euren aktuellen Lieblingsfilm!
    Es grüßt in die Runde sehr herzlich,
    Silke

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  3. Apropos polnische Filme: Hat irgendjemand vor einigen Wochen die „Dekalog“-Serie auf arte mitgeschnitten? Seit gefühlten 20 Jahren warte ich auf die DVD-Box, und als das Ganze mal en bloc im Fernsehen läuft, kriege ich Trantüte das erst ab dem 6. Teil mit.

    Kurz: Ich benötige die ersten fünf Folgen auf DVD. Biete die zweiten fünf Folgen.

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  4. @ Matt:

    Hier die DVD-Box: http://tinyurl.com/6lh8ww

    Die ganze Box lässt sich auch komplett gegen eine Vormerkgebühr von 1,50 EUR bei den stets verlässlichen Hamburger Bücherhallen leihen, 7 - max. 21 Tage lang: http://tinyurl.com/6nqycg


    @silke:
    Ich glaube, ich äußere mich schon genug, oder?

    @Andreas: Gibt schließlich noch Things und Fleischgemüse und Chiko und Indiana Jones und Brügge...

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