Diese Woche: Entführung, Bankraub, Vatermord und Fahrerflucht

Woche 25/2008



Die großartige Tilda Swinton spielt die Hauptrolle in Erick Zoncas JULIA, einem Film über eine Kindesentführung. Die Titelheldin leidet unter Geldnot und wird zur Entführerin, die Durchführung der Tat wird erschwert durch ihren ungezügelten Alkoholkonsum. Nach einem an Cassavetes erinnernden Start wechselt der Film nicht ganz holperfrei noch mehrfach Stimmung und Genre, soll aber aber problemlos zusammengehalten werden von der atemberaubenden Darstellungskunst der Swinton, gleich ob sie besoffen durch die Gegend stakst oder mit animalischer Energie versucht, das Verbrechen durchzuziehen. Läuft im Abaton OmU, außerdem im Holi und im Zeise.


Der britische Film BANK JOB erzählt die Geschichte eines Einbruches und hält sich dabei an alle bekannten Caper-Konventionen. Zugrunde liegt ein wahrer Fall von 1971, bei dem es nicht nur um Geld ging, sondern auch um andere Safe-Inhalte, wie kompromittierende Fotos von Prinzessin Margaret. Scheint ganz unterhaltsam zu sein, aber mehr auch nicht und läuft im Streits OmU, außerdem im Cinemaxx, Cinemaxx Harburg, UCI Othmarschen und UCI Wandsbek. Regie führte der Hollywood-Routinier Roger Donaldson, die Hauptrolle spielt der dafür viel gelobte Jason Statham.



Außerdem neu:


EIN EINZIGER AUGENBLICK beendet eine Bilderbuchidylle, ein 10-jähriger Junge wird überfahren. Der Fahrer haut ab und hat fortan schwere Gewissensbisse, der Vater des Jungen dagegen entwickelt die im amerikanischen Kino üblichen Rachegelüste und dann treffen beide in einer arg konstruierten Handlung zufällig aufeinander, als Anwalt und Mandant. Mit Joaquin Phoenix, Mark Ruffalo und allen Klischees und Redundanzen, die man bei einem solch kalkulierten Drama erwartet. Läuft im großen Klappleinwandsaal des Passage und im Abaton.



Und: Nachdem es dieses Jahr bereits einen Dokumentarfilm über STAUB gab, kommt jetzt ein Film ÜBER WASSER ins Kino. Davon gibt´s mal zuviel und mal zu wenig: Regisseur Udo Maurer hat Überschwemmungsgebiete in Bangladesh besucht, war in Kasachstan, wo Schiffe in der Wüste stranden und in Nairobi, wo die Ärmsten am meisten für das kostbare Nass bezahlen müssen. Ist sicherlich interessant, aber da kann man getrost auf die Fernsehausstrahlung warten, denke ich. Wer das auf der großen Leinwand sehen will, geht ins 3001.



Und: Ein Kinderfilm, der zwar bei uns DIE INSEL DER ABENTEUER heißt, allerdings nichts mit dem populären Enid-Blyton-Buch zu tun hat. Da wird offensichtlich darauf spekuliert, mit dem bekannten Titel ein paar Eltern mit ihrem Nachwuchs in den Film zu locken, die blind auf den Reflex "Kenn ich von früher" reagieren. Es geht um ein Mädchen auf einer wunderschönen einsamen Insel mit vielen bunten Tieren, um einen Vater, der auf hoher See um´s Überleben kämpft, um Eindringlinge, die das Paradies für den Tourismus erschließen wollen und um eine ängstliche, von Tics geplagte Autorin, die von Jodie Foster gespielt wird und der kleinen Miss Sunshine zur Seite springt. Ist wohl alles etwas überfrachtet, aber durchaus komisch und manchmal spannend. Sollte man den Kleinen allein schon deshalb nicht vorenthalten, weil es verdammt wenig Spielfilme für sie gibt, die so aufwendig produziert wurden, ohne dass es dabei von Drachen, Feen und anderem Hokuspokuszeugs wimmelt. Läuft in den Multiplexen.


Und: JUMP!, ein Biopic über den Fotografen Philippe Halsman, der durch seine Fotos mit hopsenden Prominenten zu Ruhm kam. Der mit österreichischen Fördergeldern finanzierte Film des amerikanischen Regisseurs Joshua Sinclair spielt weitestgehend in der Alpenrepublik, wo sich Halsman als junger Mann in einem antisemitisch aufgeladenen Prozess gegen den Vorwurf des Vatermordes verteidigen musste. Die Biographie Halsmans ist also eigentlich ganz interessant, der Film scheint jedoch eine Katastrophe geworden zu sein: Ein "ungehobelte Rekonstruktion" mit "gestelzten Dialogen", die sich in "inszenatorischer Bodenlosigkeit" verliere, schreibt Kathrin Häger im filmdienst. Es würden "wohlgemeinte, aber dilettantisch und unfreiwillig komische Botschaften" überbracht vor kitschiger Bergkulisse, die fast schon zum "obszön wirkenden „Alp-Traum“ naivster Provenienz " gerate. Wer sich selbst ein Bild machen will, geht ins UCI Mundsburg oder ins UCI Wandsbek.
Sinclair selber hat übrigens auch eine ungewöhnliche Biographie, auch wenn er definitiv nicht seinen Vater umgebracht hat: Er ist gleichzeitig Mediziner, der in Indien und Afrika als Spezialist für Tropenkrankheiten tätig war, andererseits aber auch vielbeschäftigter Schauspieler und Drehbuchautor. Unter anderem hat er die Bücher von Fassbinders LILI MARLEEN und Vittorio de Sicas DER GARTEN DER FINZI CONTINI verfasst.


Und: Keine Rom-Com diese Woche!



Weiterhin:



DOOMSDAY nur noch spät im Cinemaxx.

BRÜGGE SEHEN UND STERBEN? im Abaton OmU, im Magazin, im Passage, im Alabama und im UCI Wandsbek.

CHIKO nur noch an manchen Tagen spät im UCI Wandsbek.

INDIANA JONES UND DAS KÖNIGREICH DES KRISTALLSCHÄDELS im Blankeneser, in den Multiplexen und ein paarmal im Streits OF.

MEIN BRUDER IST EIN EINZELKIND nur in Nachmittagsvorstellungen im Holi.

BEN X von Freitag bis Dienstag um 18.00 Uhr im Fama.

MICHAEL CLAYTON mit George Clooney und Tilda Swinton, die für diese Rolle einen Oscar bekam, noch mal am Samstag und Montag im Magazin.

BE KIND REWIND ("Abgedreht") am Sonntagabend und ein paarmal nachmittags im Abaton (OmU), wo auch der großartige BABEL am Samstag noch einmal OmU läuft, falls jemand den noch nicht kennt.




Dies und das:

Wie letzte Woche angekündigt, fand am Mittwoch die allerletzte Vorstellung des Studio statt. Nicht ganz so sang- und klanglos wie befürchtet: Zwar hängten die Betreiber, nach Erhalt einer Abfindung vom Hausbesitzer in offensichtlich zufriedenstellender Höhe, nur ein paar kopierte Abschiedszettel in die Schaukästen und zeigten einfach ein letztes Mal CHIKO, der ohnehin noch lief, aber eine Anwohnerinitiative hatte kurzfristig nicht nur das Sammeln von Unterschriften gegen Schließung und Abbruch des Traditionskinos organisiert, sondern mit Musik, live und aus der Konserve, für straßenfestartige Stimmung vor dem Haus gesorgt. Kein Grund gleich in Optimismus zu verfallen, es ist nicht davon auszugehen, dass ein Vorgehen gegen die weit fortgeschrittenen Planungen noch etwas bringen wird. Schön ist es aber, dass es ein paar Leute gibt, denen das nicht einfach alles wurscht ist.



Filme, die wir zum Glück nicht gesehen haben, Folge 14:

Ich könnte natürlich jede Menge Tom-Cruise-Filme nennen, die ich glücklicherweise nicht gesehen habe, den hier fand ich allerdings immer besonders abschreckend. Der Regisseur ist derselbe wie beim BANK JOB, Roger Donaldson. Toll war Cruise nur einmal: Als schmieriger Vortragskünstler in MAGNOLIA. Lustig, dass er an diese Rolle im richtigen Leben mit seinem spinnerten Scientology-Promo-Filmchen neulich angeknüpft hat.



Umsonst und zuhause:



DIE FARBE DER MILCH ist ein Film der norwegischen Autorin Torun Lian, die damit bereits zum wiederholten Mal ein eigenes Buch adaptiert hat. Im Mittelpunkt steht die 12-jährige Selma und ihre unfreiwillige Entdeckung der Liebe, die sie eigentlich rigoros ablehnt, da Jungen eh nur Reptilienhirne besitzen. Sie beneidet Lebensformen, die sich durch Zellteilung fortpflanzen. Sehr komisch, sicher inszeniert, mit unglaublich guten Kinderdarstellern. Läuft auf dem kika am Freitag um 19.25 Uhr und ist höchst empfehlenswert für alle, die älter sind als 9. Zum ersten Mal bei uns im Fernsehen. ShowView 42.501.846

Am Dienstag zeigt 3Sat um 22.55 JUNEBUG, eine Independent-Provinzposse, die in einem sehr ungewöhnlichen Stil inszeniert wurde und dabei komisch und warmherzig ist. "Der Film holpert sich so rein ins Herz und ist da erst mal schlecht wegzukriegen", schrieb Jan Schulz-Ojala im Tagesspiegel. Auch zum ersten Mal bei uns im Fernsehen. TV-Titel: "Junikäfer", obwohl der Junebug nichts anderes ist als ein Maikäfer. ShowView 3.773.521

Alexander Payne ist der Regisseur von SIDEWAYS und ABOUT SCHMIDT. Der Film ELECTION ist schon 1999 entstanden und soll auch schon eine sehr vergnügliche und bösartige Komödie sein, auch wenn die Handlung an einer - Schluck - Highschool spielt. Läuft am Mittwoch um 20.15 Uhr auf Kabel 1. ShowView 91.361

Mit KNALLHART war Detlev Buck auf einmal wieder da, ein harter kleiner Film über Teenies, Dealer, Gewalt und Neukölln, passenderweise aus dem Rütlijahr 2006. Zum ersten Mal im Fernsehen auf arte am Mittwoch um 22.35 Uhr, vielleicht ein wenig spät für einen Teil der Zielgruppe. ShowView 405.038

Da ich sicherheitshalber jahrelang deutsche Filme gemieden habe und nur reingegangen bin, wenn mir alle erzählt haben, da sei was ganz großartig, habe ich natürlich auch ein paar gute Sachen verpasst. Den Erstling von Hans-Christian Schmid etwa, NACH FÜNF IM URWALD, in dem auch Franka Potente das erste Mal auftaucht. Na mal sehen: Auch am Mittwoch, auf Bayern 3 um 23.50 Uhr. ShowView 9.222.496


Und wie immer gibt es außerdem noch jede Menge weitere sehenswerte Filme, vielleicht hat diese Woche beispielsweise jemand Lust, sich wieder einmal BRAZIL anzugucken. (Am Montag auf arte um 21.00 Uhr, ShowView 2.310.255) Wer suchet, der findet.


Kinos, Folge 32: Das Passage in der Mönckebergstraße in Hamburg

Das Bild zeigt nur den Gang von den Klos zum großzügigen Foyer. Von der ursprünglichen Pracht des einstigen 1000-Plätze-Erstaufführungstheater ist noch eine Menge vorhanden, vom großen Saal wurde bei den diversen Umbauten nur der Rang abgetrennt. Hoffen wir, dass die Gerüchte über angebliche Schließung und Abriss falsch sind und Flebbe das Haus von 1912 noch eine Weile durchschleppen kann. Als er es in der Prä-Multiplexzeit übernahm und sanierte, wurde es zum Schmuckstück seiner Kette. Ursprünglich war ein weiterer Eingang im Speersort, daher der Name des Kinos, heute sieht man dort noch die stets verschlossenen Türen und einen Leuchtschriftzug aus den 70er Jahren.


Eine Googleabfrage, die erfreulicherweise häufig jemanden auf diese Seiten führt: "kinoblog".

Nachdem ich neulich feststellte, dass die Besucherzahlen aufgrund dieses Bildes deutlich gestiegen sind und es noch einmal zeigte, sind weitere erstaunliche Steigerungen feststellbar. Jetzt also zum Dritten, aus reiner Neugierde, ich möchte doch wissen, ob das jetzt immer so weiter geht. Bald knall ich hier dann alles mit Werbung voll und werde reich, der Google-Bildersuche sei Dank.

Es ist übrigens eine Szenenfoto aus BATTLE IN HEAVEN, der kürzlich, vermutlich um genau diese Szene gekürzt, im Fernsehen lief.

3 Kommentare:

  1. Ich fand ja Tom Cruise in "Rain Man" nicht ganz schlecht. Jedenfalls war er besser zu ertragen als der penetrant sein schauspielerisches Können raushängen lassende Dustin Hoffman. Der unsympathischste Hollywood-Star unserer Zeit bleibt Cruise aber trotzdem.

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  2. und sooo toll is Magnolia nun auch wieder nich

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  3. Rain Man habe ich zum Glück auch nicht gesehen. Und Jö, was haste gegen Magnolia?

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