Woche 27/2008
"Wenn NAKED in (Mike) Leighs Filmografie den schwarzen Block der Negativität darstellt, dann ist HAPPY-GO-LUCKY das dazu passende rosa Ei", schreibt Andreas Kilb in der FAS. Scheint unwiderstehlich geworden zu sein, dieses Portrait einer Grundschullehrerin, die mit schwer erträglicher Gutgelauntheit und unerschütterlichem Optimismus den kleinen Widrigkeiten des Lebens begegnet und sich schließlich ins Glück schnattert. Und ist wohl meilenweit entfernt von den üblichen britischen Underdog-Komödien.
Eine große Geschichte gibt´s nicht, erzählt werden viele kleine Episoden, eine größere Rolle spielt nur der Konflikt mit ihrem Fahrlehrer, der so ziemlich das genaue Gegenteil von ihr ist. Scheint dabei aber trotzdem eine sehr temporeiche und kurzweilige Angelegenheit zu sein. Ich bin gespannt darauf, wie gut ich Poppy, so heißt die Figur, aushalten werde: Bei Leighs Realismus und Sally Hawkins Darstellungskunst (dafür gab´s in Berlin im Februar den silbernen Bären) muss mit erheblicher Penetranz gerechnet werden. Ob man das genießen kann, oder aber das Leiden überwiegt, hängt, wie bei Rohmer-Filmen, immer auch von der eigenen Tagesform ab. HAPPY-GO-LUCKY läuft im Abaton (OmU), im Holi und im Zeise.
Der tapsige und fette Panda Po wird zum schlagkräftigen Kung Fu Kämpfer in Dreamworks diesjährigem arschteuren computeranimierten Spektakel KUNG FU PANDA. Visuell ist das wieder einmal zu steril und wenig charmant geraten, sieht ähnlich aus wie MADAGASCAR, BEE MOVIE oder die SHREKfilme, aber wenigstens sollen sich die nervigen Anspielungen auf irgendwelche popkulturellen Erzeugnisse über die Köpfe der Hauptzielgruppe hinweg diesmal in Grenzen halten. Eine Mischung aus Du-kannst-es-schaffen-Film und klassischem Martial-Arts-Gewirbel mit den üblichen Tierfiguren, aber ohne Furzwitze. Im Abspann dröhnt leider eine fiese Coverversion von Carl Douglas "Kung Fu Fighting", das ist wohl unvermeidlich und treibt einen ganz schnell aus dem Kino.
Eine Ahnung davon, wie großartig das alles aussehen könnte, soll man zu Beginn in einer Traumsequenz bekommen: Die ist in klassischer Zeichentricktechnik animiert und dagegen verblasse der restliche Film, so Peter Körte, ebenfalls in der FAS. Aber Zeichentrick ist tot. Und keine Wiederauferstehung in Sicht. Dafür aber der nächste tolle computeranimierte Film von Pixar: WALL-E. Wer höchstens einmal im Jahr einen Animationsfilm anschaut, sollte bis September warten. Und wer 6-12jährige Jungen in der Nähe hat, geht mit denen jetzt den Kung Fu Bären gucken. Läuft in den Multiplexen, im Koralle und im Streits OF.
Dass ich im Zweifel deutsche Filme lieber meide, ist kein Geheimnis. Sonderlich originell ist das natürlich nicht und verbreitete Pauschalurteile wie das Friebe-Zitat oben sind vielleicht auch ein Grund dafür, dass Michael Althen und Hans Helmut Prinzler es sich zur Aufgabe gestellt haben, die Ehre des deutschen Films zu retten. Sie versuchen das auch wiederum in filmischer Form und haben mit AUGE IN AUGE eine rasant geschnittene Schnipselfahrt durch die deutsche Filmgeschichte fabriziert. Ist bestimmt nett anzuschauen und vorurteilsvolle Miesmacher wie ich werden sicherlich an einige beeindruckende Gegenbeispiele erinnert, nur habe ich meine Zweifel, ob der unbestreitbar hohe Haufen richtiger Scheißfilme aus bundesdeutscher Produktion auch nur erwähnt wird. Zu befürchten steht, dass da ausschließlich "künstlerische Errungenschaften" abgefeiert werden und das liefe auf Geschichtsklitterung hinaus. Was treibt Althen dazu? Aufkeimender Alterspatriotismus? Als er neulich in der FAS aus Cannes berichtete, habe ich mich schon gewundert, dass er sich positiv über Wenders ausließ, weil es ihm zu verdanken sei, dass ein deutscher Film im Wettbewerb liefe. Toll, "wir" haben uns qualifiziert.
Bonofreund Wenders, der vor einigen Jahrzehnten wirklich mal eine Reihe guter Filme gemacht hat, kommt in AUGE IN AUGE auch zu Wort, genauso wie Doris Dörrie, die meines Wissens nichts Erträgliches zustande gebracht hat. Es dürfen sich aber auch Andreas Dresen, Michael Ballhaus, Wolfgang Kohlhaase, Christian Petzold, Tom Tykwer und Dominik Graf äußern.
Hoffen wir, dass ich mit meinen Befürchtungen falsch liege. Vielleicht ist das Ganze ja auch ein sympatischer, frischer und verspielter Bilderreigen, der nur daraufhinweisen will, dass es nicht ausschließlich Spreu, sondern auch Weizen gab.
Eigentlich müsste es übrigens sowieso heißen: "Es ist ja nicht so, dass mir alles aus Hollywood gefällt, aber das deutsche Kino, ausgenommen natürlich vieles vor 1933 und viele Defa-Produktionen sowie ein paar Dutzend weitere Filme, ist nun mal das schlechteste der Welt."
AUGE IN AUGE läuft im Abaton und im Zeise.
Bis zum 16.7. finden im 3001 wieder die spanischen Filmtage statt. Hier das Programm, gezeigt werden 7 Spielfilme und ein Kurzfilmprogramm, alle im Original mit deutschen Untertiteln, aber nicht alle auf 35mm. Wer einen Besuch erwägt, sollte vorher im Kino nachfragen, damit er nicht für eine miese Beamerprojektion zur Kasse gebeten wird.
Außerdem neu:
Eine sympathische Superheldenparodie mit Will Smith, die zum Specials-Effect-befeuerten Lobgesang auf patriotische Verantwortung, Loyalität und Familiensinn mutiert. Macht darum wahrscheinlich sehr schlechte Laune, heißt HANCOCK und läuft in den Multiplexen, außerdem im Streits OF und im Blankeneser. Ich guck mir lieber nochmal die UNGLAUBLICHEN zuhause an.
Wöchentliche Provinzialitätsmessung:
WATER LILIES, GRINDHOUSE und AFTER EFFECT haben diese Woche außerdem ihren Bundesstart.
In Hamburg laufen also gerade mal 57% der neuen Filme an.
Weiterhin:
JULIA noch spät im Abaton OmU, außerdem nachmittags im Passage und spät im Zeise.
THINGS WE LOST IN THE FIRE an einigen Tagen im Magazin.
BRÜGGE SEHEN UND STERBEN? noch spät im Abaton OmU, im Alabama, im Klappleinwandsaal des Passage und spät im Zeise.
CHIKO nur noch an manchen Tagen spät im UCI Wandsbek, am Montag auch im Cinemaxx Harburg.
FLEISCH IST MEIN GEMÜSE am Samstag draußen im Hof des Völkerkundemuseums. Beginn so um halb zehn.
INDIANA JONES UND DAS KÖNIGREICH DES KRISTALLSCHÄDELS in den Multiplexen.
MEIN BRUDER IST EIN EINZELKIND im Alabama und nachmittags im Fama.
Wer NO COUNTRY FOR OLD MEN immer noch nicht gesehen hat, kann das am Sonntag um 22.30 Uhr im Abaton nachholen. Sogar OmU, läuft außerdem auch einige Male nachmittags. Die deutsche Fassung gibt es, sobald es dunkel genug ist, am Montag im Millerntorstadion zu sehen.
DARJEELING LIMITED von Wes Anderson gibt´s auch noch mal auf der Leinwand: Am Dienstag nach Einbruch der Dunkelheit im Hof des Völkerkundemuseums.
Außerdem für 6 Euro draußen zu sehen sind diese Woche die Beigbederverfilmung 39,90 (Preview, am Freitag), Roland Klicks SUPERMARKT, gedreht in einem wunderbar schmuddeligen 70er-Jahre-Hamburg (am Sonntag), IMMER NIE AM MEER (am Dienstag) und erfreulicherweise DAS JÜNGSTE GEWITTER (am Mittwoch), alle im Millerntorstadion.
Im Abaton läuft in Zusammenarbeit mit der Uni eine Reihe von Filmen, die alle einen Bezug zur Mathematik haben, das Programm hat den Titel "Mathfilmfestival".
Filme, die wir zum Glück nicht gesehen haben, Folge 16:
"Richtige Literatur" als Vorlage, aber was Eichinger und Roehler mit all den fettgedruckten Namen draus gemacht haben, werde ich hoffentlich nie sehen müssen. Wieso haben wir eigentlich noch keine Bilder von brennenden Houllebecq-Büchern gesehen? Ob er mit seiner lustigen Interviewaussage von 2001 "Die dümmste Religion ist doch der Islam" wohl heute immer noch so glimpflich davon käme?
Umsonst und zuhause:
Am Donnerstag läuft im WDR ein Spielerfilm von 2004 mit einer Paraderolle für den großartigen Philip Seymour Hoffmann: OWNING MAHOWNY. Um 23.15 Uhr. ShowView 5.533.262
MASTER UND COMMANDER ist ein hübsch altmodisches Seestück von Peter Weir von 2003. Mit Russel Crowe. Läuft am Samstag um 20.15 auf RTL. ShowView 11.273.056
Ebenfalls am Samstag läuft später, um 22.30 Uhr, auf Pro7 Eastwoods MYSTIC RIVER mit einem großartigen Sean Penn. Die Vorlage stammt von Dennis Lehane, auch Autor von GONE BABY GONE. Die Adaption von Ben Affleck lief gerade erst bei uns im Kino. Übrigens ein ganz ausgezeichneter PI-Film.
Bei MYSTIC RIVER stellt die schmalzige Musik von Eastwood ein gewisses Problem dar. Man muss doch nicht alles selber machen. ShowView 21.897.582
RUNNING SCARED ist ein effektiver Thriller um eine Tatwaffe, die dummerweise in die Hände eines russischen Jungen gerät, hinter dem bald ein kleiner Gangster, die Polizei und die Russenmafia her sind. Mit Bezügen zu Märchen wie zu Western. Von 2006, Regie Wayne Kramer, der unter anderem auch Regie führte bei THE COOLER mit William H. Macy. Am Sonntag auf Pro7 um 22.15 Uhr, ShowView 8.241.896
Woody Allens MATCH POINT war der erste seiner in London gedrehten Filme. Nicht so lustlos und fade wie CASSANDRAS TRAUM, vielleicht liegt´s an Scarlett Johansson. Oder Allen kann mit der britischen Upper Class einfach mehr anfangen als mit dem gesellschaftlichen Bodensatz. Am Montag im ZDF um 22.15 Uhr. ShowView 977.620
Am Dienstag läuft auf 3Sat schließlich der frühe Wong Kar-Wei DAYS OF BEING WILD. Mit Maggie Cheung. Von 1990. Wunderschön. Um 22.55 Uhr. ShowView 1.648.175
Und wie immer gibt es außerdem noch jede Menge weitere sehenswerte Filme, vielleicht hat diese Woche beispielsweise jemand Lust, sich wieder einmal ROCCO UND SEINE BRÜDER anzugucken. Wer suchet, der findet.
Kinos, Folge 33: Das Cinemaxx am Bahnhof Dammtor in Hamburg
Ist inzwischen auch schon etwas angeschmuddelt, dürfte aber das einzige Kino in der Stadt sein, mit dem noch richtig Geld verdient wird. Seit der Ufa-Palast weg ist, der viel zu spät fertig, zu abweisend und zu unscheinbar war, gibt es auch keine anderen Multiplexe in guter Lage mehr: Die liegen allesamt ab vom Schuss, bis auf das UCI Mundsburg, das sich in einem dahinsiechenden Einkaufszentrum in Uhlenhorst versteckt. An gleicher Stelle wie das Cinemaxx befand sich früher der "Bierpalast", in dessen oberem Stockwerk eine Zeit lang der legendäre Funclub beheimatet war. O.k., ist egal.
Eine Googleabfrage, die letzte Woche jemanden auf diese Seiten führte: "klappleinwand".
Und wieder das Still aus BATTLE IN HEAVEN, nur so aus Gewohnheit.
Eine penetrante Pädagogin, ein kämpferischer Bär und ein patriotischer Kritiker
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