Freier Markt in freier Welt

Woche 48/2008



Die Neustarts:




Ken Loach ist der Oberlehrer unter den Filmemachern. Aber gleichzeitig ist er ein begnadeter Erzähler, einer, dem man gerne in die dunkelsten Ecken folgt, in denen die Verlierer unseres Wirtschaftssystems darben. Das Schema ist eigentlich immer simpel, eine anrührende Geschichte, ein wenig Humor, ein sehr genauer Blick auf das jeweilige, immer authentisch gezeichnet wirkende Milieu und eine eindeutige Botschaft. Aber der Mann beherrscht das wie kein zweiter, ja, auch ein Woody Allen macht ihm das nicht so schnell nach. Solange er Sozialkunde unterrichtet, komme ich immer gerne zum Unterricht, nur die Geschichtsstunden schwänze ich lieber. Ob im spanischen Bürgerkrieg oder in Irland, wenn der immer richtig klingende Tonfall bei Verwendung historischer Kostüme hops geht, wirkt´s schnell zu pathetisch und konstruiert.
IT´S A FREE WORLD erzählt von einer jungen Frau, die den Erfolg ihres Arbeitsvermittlungsgeschäfts auf unterbezahlte Illegale aufbaut, was natürlich nicht gut geht. Dass der Focus auf der Unternehmerin und nicht auf den Einwanderern liegt, finde ich erfreulich, verspricht es doch eine weniger plumpe Zuordnung in Gut-und-Böse-Schemata, als man bei dem Thema erwarten könnte.
In der Kinoprovinz startet die Kapitalismuskritik im 3001.
Loach hat übrigens auch einen Beitrag zu CHACUN SON CINEMA, der Sammlung kurzer Filme berühmter Regisseure, die allesamt das Kino selbst zum Thema haben, geleistet, seine Episode ist die letzte und wie ich finde, schönste von allen (Der Coensche Kurzfilm WORLD CINEMA fehlt leider auf der DVD und im Netz habe ich ihn auch nicht auftreiben können):



Und an was muss ich noch bei dem Titel IT´S A FREE WORLD denken? Genau:





PAZAR - DER MARKT ist überraschenderweise ein Film des Briten Ben Hopkins, der für die kafkaeske Komödie DIE NEUN LEBEN DES THOMAS KATZ und die doppelbödige Doku 37 USES FOR A DEAD SHEEP verantwortlich war. PAZAR wurde in der Türkei gedreht, in einem kleinen Kaff im Osten des Landes, wo der kleine Schwarzmarkthändler Mustafa sich mit der örtlichen Mafia anlegt. Und richtig, auch hier geht es um den Kapitalismus, der lokal wie global für die Geschichte eine wesentliche Rolle spielt, nur ist es eine weniger klare Position, die der Film dazu einnimmt, im Vergleich zu den Loachschen Werken. Stilistisch hat das mit den früheren Filmen Hopkins´ wohl nicht mehr viel zu tun, das ist eher solider Neoneorealismus, nur im Witz, der zwischendurch immer wieder aufblitzt, soll der Katzmacher wiederzuerkennen sein. Chancen auf viele Zuschauer dürfte das Werk mit türkischem Titel und ebensolchen Darstellern, die teilweise exzellent sein sollen, kaum haben, wer Interesse hat, sollte zusehen, möglichst schnell ins Kino zu kommen. Bevor PAZAR aus dem Zeise gleich wieder verschwunden ist.




Johnny To ist ein versierter Hongkong-Routinier, der seit 1980 satte fünfzig Filme realisiert hat. Bei uns im Westen wurde man erst Ende der Neunziger auf ihn aufmerksam, als Thriller wie THE MISSION oder RUNNING OUT OF TIME auch hier in die Kinos kamen. Sein jüngster Film SPARROW, in weniger provinziellen Gegenden des Landes bereits Anfang September gestartet, widmet sich ausnahmsweise mal einem minderen Delikt, nämlich Taschendiebstahl. Für die Hauptfigur ist dies die Haupterwerbsquelle, wie auch für seinen älteren Rivalen, mit dem er um die Gunst einer geheimnisvollen Schönen konkurriert. Jaja, aber viel wichtiger als der Plot ist wohl ohnehin die kunstvolle Inszenierung all der kleinen Diebstähle und Verfolgungsjagden, deren Raffinesse den Meisterregisseur verrät. Wer die düsteren und pathetischen Hongkongthriller nicht mag, hat vielleicht mehr Freude an diesem heiteren Taschengreifen.
SPARROW läuft im 3001.
Ein schöner und wie ich finde, sehr verlockender Nebenaspekt: Dem Held wird Zeit gelassen, durch die einer brutalen Modernisierung unterworfenen Metropole zu streifen und zu fotografieren, was nicht nur wegen des melancholischen Blicks auf die Stadt von Interesse ist, sondern ein wunderschönes filmisches Erlebnis sein könnte. Ich liebe diese Momente, wo jede Narration zum Stillstand kommt und die Zuschauer selber zu Flaneuren werden. Wie hier:




Außerdem neu:





Simon Pegg hat Pech, Filme mit ihm bekommen offensichtlich gerne besonders bescheuerte deutsche Titel verpasst. Zugegeben, das Niveau von HOT FUZZ - ZWEI ABGEWICHSTE PROFIS wird wohl nicht noch einmal erreicht werden, aber NEW YORK FÜR ANFÄNGER statt "How to Lose Friends & Alienate People" im Original ist mindestens schlimm zu nennen. Pegg ist in der Komödie wohl wie immer wunderbar, nur leider scheint das Versprechen des englischen Titels im Verlauf des Films immer weniger eingehalten zu werden, statt Fies- und Bosheiten gibt´s mehr und mehr Versöhnliches. Pegg spielt einen rabaukigen britschen Schreiberling, der weg vom kleinen, eigenen Gesellschaftsblatt nach New York zu so einer Art Vanity Fair gerufen wird und so Gelegenheit bekommt, auf´s Schönste mit der dortigen Glamour-Welt zu kollidieren. Scheint phasenweise überaus komisch zu sein, wenn´s auch öfter ins Klamaukige kippt und verliert deutlich an Fahrt, als der Brite sich an die Promigesellschaft anzupassen beginnt. Der Film sollte unbedingt mit Untertiteln geguckt werden, da sämtliche Witze, die mit den Sprachunterschieden zwischen den Englischsprechern beiderseits des Atlantik zu tun haben, in der deutschen Fassung natürlich flöten gehen. Und da in der Kinoprovinz, wie heutzutage üblich, wieder nur die Synchronfassung läuft, rate ich dazu, auf die DVD zu warten. Wer aber nicht auf mich hören will, geht ins Cinemaxx, ins UCI Othmarschen oder ins UCI Wandsbek.




Und: Julio Medem ist Spezialist für schwerpoetisches verquastes Gefühlskino mit schööönen Bildern und darum kein Fall für mich, aber sein neuester Film CAOTICA ANA ist mir nicht nur schnuppe, den finde ich richtig ekelig. Eine junge Malerin, höchstens 20 Jahre alt, zieht in eine dufte Künstlergemeinschaft in Madrid und erlebt da nicht nur Liebeslust und -leid, sondern lernt auch noch ihre früheren Leben kennen, immer als arme Unterdrückte, egal ob bei den Hopi-Indianern oder irgendwann in Marokko. Und um "die Unterdrückung des Weiblichen durch die Aggression des Männlichen" (Wolfgang Hamdorf im filmdienst) geht es auch noch in tollen symbolischen Bildern mit Taube und Adler. Weiter: "Fast zwei Stunden lang beschwört CAOTICA ANA via hypnotischer Reisen und einer symbolbeladenen Inszenierung jener jahrtausendelangen Kette blutiger Ungerechtigkeiten eine eigenwillige, episodenreiche Vision der Menschheitsgeschichte, von Tod und Wiedergeburt und der ewigen Wiederkehr des Gleichen. Und eine Vision des Weiblichen als Überwindung männlicher Aggressionskultur, gegen die Diktatur der Effizienz und des linearen Zeitablaufs." Mich schüttelt´s. Wer sowas sehen will, geht ins UCI Othmarschen.




Und: PARIS, PARIS - MONSIEUR PIGOIL AUF DEM WEG ZUM GLÜCK, eine Komödie mit viel Gesang, die in den dreißiger Jahren in der Stadt an der Seine spielt. Laien übernehmen zwecks Existenzsicherung ein leerstehendes Theater und so weiter und so fort. Regie führte Christophe Barratier, der auch gleich die Hauptdarsteller seines kommerziell erfolgreichen Rührstücks DIE KINDER DES MONSIEUR MATHIEU mitgebracht hat. Schreckt mich alles ziemlich ab und der Akkordeon-Trailer sorgt dafür, dass ich auch in Zukunft einen weiten Bogen um den Film machen werde:

Doof ist der deutsche Titel, aber wahrscheinlich genau richtig, um das potentielle Publikum anzusprechen, für das kein Klischee zu abgedroschen ist. Der Ursprung der deutsch-französischen Koproduktion ist übrigens seltsamerweise eine Reihe von nostalgischen Chansons, die von den Deutschen Reinhardt Wagner und Frank Thomas stammt. PARIS, PARIS läuft im Elbe, im Holi und im UCI Mundsburg.




Und: Ein nicht nur unnötiges, sondern wohl auch total bescheuertes Remake des legendären Siebziger-Jahre-Trash-Films DEATH RACE 2000 ("Frankensteins Todesrennen") mit David Carradine und Sylvester Stallone. Der neue Film, einfach nur DEATH RACE betitelt, ohne eine naheliegende 3000, von W. S. Anderson (nicht zu verwechseln mit P. T. oder Wes) läuft in sämtlichen Multiplexen.



Wöchentliche Provinzialitätsmessung:

Anderswo startet diese Woche außerdem das thailändische Tsunamidrama WONDERFUL TOWN, eine deutsche Doku mit dem schönen Titel HEINZ UND FRED, eine weitere deutsche Doku über schwule Aktivisten in Russland, EAST/WEST - SEX AND POLITICS und eine österreichische Doku über einen islamischen Theologen, DER WEG NACH MEKKA - DIE REISE DES MUHAMMAD ASAD. Es laufen bei uns also 60% der Filme an. In Berlin sind sie, wie immer, alle zu sehen.



Weiterhin:




WALTZ WITH BASHIR nachmittags im 3001 OmU, außerdem im Abaton, im Zeise und nachmittags im Koralle.

BURN AFTER READING im Abaton OmU, außerdem im Alabama, Blankeneser, Cinemaxx, Koralle, Cinemaxx Wandsbek und im UCI Othmarschen..

LET´S MAKE MONEY im Abaton OmU, außerdem im Zeise und im UCI Mundsburg.

WALL-E im Blankeneser und im Zeise, außerdem in fast allen Multiplexen, aber überall nur nachmittags.



Außer der Reihe:




Im 3001 finden in dieser und der nächsten Woche schon wieder Lateinamerika Filmtage statt, wer im Programm eine Perle entdeckt, möge doch bitte Bescheid sagen. Ich weiß nicht, ob die Veranstalter auch schon dazu übergegangen sind, einfach DVDs und ähnliche Speichermedien zu benutzen, wenn an eine Kopie schwer ranzukommen ist. Das 3001 macht nach wie vor solche Beamer-Vorstellungen nicht im Programm kenntlich, also rate ich dazu, bei Interesse sicherheitshalber nachzufragen.

Das Metropolis zeigt unter anderem weitere neue türkische Filme, außerdem ALLES WIRD GUT, einen neuen polnischen Film ohne Verleih bei uns und setzt die Paul-Newman-Retro fort.

Im Koralle läuft am Mittwoch ungewöhnlicherweise auch mal etwas Älteres: ANGST ESSEN SEELE AUF, von Fassbinder. Hoffentlich auf 35mm!

Und im Abaton läuft noch zweimal, am Sonntagmittag und am Dienstag, HAPPINESS.



Dies und das:




Mal eine wirklich gute Nachricht: Wir können uns über ein neues, intelligentes und unabhängiges Magazin freuen, dass sich dem Film und verwandten Themen widmet, ab Februar im Print und jetzt schon im Netz. Zu den Gründern von Cargo gehören Ekkehard Knörer (taz, Perlentaucher) und Bert Rebhandl (FAZ, taz) und wer einige Texte der beiden kennt, weiß, dass da viel Gutes zu erwarten ist. Ich wünsche der Mannschaft viele viele Anzeigenkunden und einen langen Atem.




Ein Nachtrag zu PALERMO SHOOTING: Verrissen haben den Film diesmal ja fast alle, aber so deutliche Worte wie von Ina Bösecke in konkret habe ich sonst nirgenwo gelesen: "In seinem Buch 'Rausch und Terror' erzählt Bommi Baumann, wie er sich Ende der Sechziger zusammen mit anderen Haschrebellen auf Demonstrationen vorbereitete: 'Wir haben aggressive Musik gehört, uns vollgeraucht und stellenweise Meskalin gedrückt, so dass es gleich peng! machte und du einen absoluten Farbrausch hattest ... Und dann ist der ganze Trupp schreiend gegen die Polizei gerannt.' Ein ähnlicher Grad der Aggressivität, nur ohne Farbrausch, wird erreicht, wenn man sich den neuen Film von Wim Wenders anschaut. Danach möchte man auch schreiend gegen irgendwas rennen, am liebsten gegen Wenders. Weil der aber nicht da ist, wenigstens gegen die Wand im Kino."


James Sallis, auf meine Frage nach seinem Lieblingsfilm:

"Sie werden wahrscheinlich lachen: ROAD HOUSE. Ein trashiger Film, vielleicht zwanzig Jahre alt, mit Patrick Swayze. Ich mag ihn wirklich. Und wenn ich mehr Titel nennen müsste, fiele mir BLADE RUNNER ein. Und all die andern guten Science-Fiction-Filme."

ROAD HOUSE ist ein Action-Film von 1989, gedreht also zwei Jahre nach DIRTY DANCING. Die Handlung: Ein Fremder kommt in eine kleine Stadt und nimmt in einem Nachtclub einen Job als Rausschmeißer an, es dann mit allen Bösewichtern auf und das Mädchen natürlich mit.
Fiel an der Kasse und bei der Kritik sowieso durch. Das Filmlexikon: "Ein primitiver Actionfilm voller selbstzweckhafter Brutalitäten, in dem das beste Argument eine hart geschlagene Faust ins Gesicht des Gegners ist." "Unfreiwillig komisch" und "kein Klischee auslassend", urteilte der Fischer Film Almanach. Aber irgendetwas muss er haben. Die imdb-Nutzer klingen in ihren Kommentaren überwiegend sehr freundlich und der Autor und Komiker Mike Nelson nutzt ihn gar als Referenzwerk. Er nennt ihn den "besten schlechten Film, der je gemacht wurde" und verspricht, dass man von schlechten Filmen, wie er sie in seinem Buch "Movie Megacheese" oder bei Rifftrax vorstellt, bestens unterhalten werden könne, wenn sie wenigstens "ein Minimum des Road Housianischen Standards erreichen".
ROAD HOUSE ist auch in Deutschland auf DVD veröffentlicht worden und auch noch lieferbar, nur nicht überall zu bekommen, da er nur eine FSK-18-Freigabe hat, ein Hinweis darauf, dass die Schlägereien tatsächlich recht brutal ausfallen dürften. Also: Gibt´s nicht bei Amazon, aber zum Beispiel bei D&T.
Hat irgendwer von Euch den gesehen?



James Sallis ist ein weiterer amerikanischer Autor, der sich des Noir-Genre angenommen hat, mit lange Jahre eher bescheidenem Erfolg was die Verkaufszahlen angeht, aber sehr positivem Echo bei Kritik und schreibenden Kollegen. Von 1992 bis 2001 veröffentlichte er sechs Bände mit dem schwarzen Privatdetektiv Lew Griffin, deren erste beiden auch auf deutsch in der leider kurzlebigen Dumont-Noir-Reihe veröffentlicht wurden. Nach diversen Ausflügen unter anderem in das Genre des Spionageromans, sowie Veröffentlichungen zu Jazz und von Biographien, schrieb er einen furiosen, atemlosen und angenehm kurzen Roman über schnelle Autos und große Knarren, der nicht nur mal wieder ins Deutsche übertragen wurde, sondern sogar erfreulicherweise dieses Jahr den Deutschen Krimipreis erhalten hat. Alle seine Bücher zeichnet eine ungemein ausgefeilte Sprache aus, sowie eine souveräne Beherrschung und gleichzeitig fortwährende Verletzung der Genre-Regeln. Er ist sozusagen der große Sophistizierer des Kriminalromans.
Die häufig auftretenden Verweise auf alle möglichen Werke der Hochliteratur von Queneau bis Joyce gingen mir beim Lesen manchmal fast auf die Nerven, um so überraschter war ich über den Filmtitel, der ihm ohne zu zögern über die Lippen kam.


Und ein Film, den wir zum Glück nicht gesehen haben:

Das Original habe ich auch nie gesehen. Zum Glück. Aber das hier ist ja vollends abwegig. Eine Neuauflage von 2004, mit Patrick Swayzee im üblichen Cameo, als Tanzlehrer. "DIRTY DANCING 2 erzählt in einem fiebernden Rhythmus, vorangetrieben von heißer, pulsierender Musik, die zeitlose Geschichte einer jungen Frau, die Liebe, Sinnlichkeit und Unabhängigkeit für sich entdeckt", stand im Pressetext. "Es ist eigentlich ein philosophischer Film. Er fordert sein Publikum dazu auf, Fragen zu stellen, vor allem, 'Warum?' Warum wurde dieser Film je gemacht?" (Kevin Carr, Filmthreat)



Umsonst und zuhause:


Am Donnerstag

Auf arte um 21.00 Uhr: Die erste Zusammenarbeit von Werner Herzog und Klaus Kinski, AGUIRRE, DER ZORN GOTTES von 1972. Die Auseinandersetzungen zwischen beiden auf dem Set sind glücklicherweise auf Tonband dokumentiert:
"Kinski: 'Los jetzt, also drehen wir´s jetzt. Los, machen Sie und drehen den Scheißdreck runter.'
Herzog: 'Die Kamera dreht jetzt nicht.'
Kinski: 'Ich spiele es jetzt so, wie ich will und aus."
Herzog: 'Gut, aber wir müssen jetzt wissen...'
Kinski: 'Endlich aufhören soll man hier, mir Hausfrauenanweisungen zu geben. Sorgen Sie dafür, dass alles still wird. Ich will keinen Regisseur. Sie müssen bei mir lernen.'
Herzog: 'Nein, natürlich lerne ich nicht.'
Kinski: 'Sie sind ein Anfänger, ein Zwergenregisseur sind Sie, aber nicht ein Regisseur für mich!'
Herzog: 'Jetzt beleidigen Sie mich besser nicht...'
Kinski: 'Beleidigen! Beleidigen! Sie können mich nicht mehr beleidigen, als wenn Sie mir Regieanweisungen geben. Allein das ist ja eine Beleidigung!'"
(zitiert nach "Der neue deutsche Film", Goldmann 1981)
Herzog dreht heutzutage übrigens, fast unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit, eine anderswo hochgelobte Dokumentation nach der anderen. Thomas Groh weist in seinem Filmtagebuch alle Nas lang auf die erstaunlichen Aktivitäten des einzig würdig gealterten Recken des jungen deutschen Films hin, die Mainstream-Medien merken aber erst jetzt langsam auf, denn ENCOUNTERS AT THE END OF THE WORLD hat reelle Oscarchancen. ShowView 3.840.331


Auch am Donnerstag

Zugegebenerweise hört sich GEBROCHENE FLÜGEL nach übelstem Arthousekitsch an und es geht auch noch um einen Schicksalsschlag in einer Familie, doch handelt es sich bei dem israelischen Film wohl um einen sehr zurückhaltend erzählten und... Ach was, guckt doch einfach wie hübsch der Trailer ist:

Im WDR um 23.15 Uhr, ShowView 3.231.992


Am Freitag:

Christian Petzolds GESPENSTER, spröde, aber schön, die Geschichte von der Streunerin und der Frau, die glaubt ihre Mutter zu sein. Im Ersten um 23.30 Uhr, ShowView 1.116.913


Am Sonntag:

SEX, LÜGEN UND VIDEO ist natürlich alles andere als ein Geheimtipp, aber andererseits ist es jetzt bald 20 Jahre her, dass alle Welt das Soderbergh-Debüt im Kino gesehen hat. Auf arte um 20.40 Uhr. ShowView 4.795.030


Am Montag

GRAF ZAROFF - GENIE DES BÖSEN ("The Most Dangerous Game") ist ein legendärer Abenteuerfilm, in dem ein wahnsinniger Russe auf einer einsamen Insel Jagd auf die arme Fay Ray, ihren versoffenen Bruder und einen Großwildjäger macht. Gedreht in den Dschungel-Sets des originalen KING KONG von 1933, vom gleichen Regisseur, dem gleichen Produzenten und mit vier Schauspielern, die auch im anderen Film dabei sind, aber immerhin ohne den Affen. In der Nacht von Montag auf Dienstag um 00.30 Uhr, ShowView 8.947.210
Direkt davor, um 22.55 Uhr (ShowView 1.432.517) zeigt der MDR passenderweise KING KONG, was mich vor allem freut, weil das so schön zu diesem Comic-Tagebucheintrag von Lewis Trondheim passt, den ich gerade gestern erst gelesen habe (zum Vergrößern Bild anklicken):

Aus diesem Buch, ursprünglich hier im Blog erschienen und hoffentlich hier bald in deutscher Übersetzung erhältlich.


Am Mittwoch

WIR VERSTEHEN UNS WUNDERBAR mit Jean Rochefort und Charlotte Rampling wurde als gelungene Hommage an die Screwballcomedies gelobt, als die französische Komödie über späte Liebe bei uns im Januar in die Kinos kam, aber ich blieb doch eher misstrauisch. Der Abspannsitzenbleiber hat das wahrscheinlich unter "vielleicht mal im Fernsehen" abgelegt, ja, hat er, na also, da ist die Gelegenheit... Im BR um 21.45 Uhr. ShowView 4.088.932


Auch am Mittwoch

Eigentlich kann LICHTER DER VORSTADT mühelos mithalten, aber komischerweise ist der Aki-Kaurismäki-Film von 2006 bei uns nur mit ganz wenigen Kopien in ein paar kleinen Kinos gelaufen, ganz im Gegensatz zum erfolgreichen Vorgänger. Nun gibt es also die Gelegenheit, das Versäumte im Fernsehen nachzuholen. Der Verlierer im Mittelpunkt ist diesmal ein Nachtwächter, der von blondem Gift in einen Einbruch verwickelt wird. Auf arte um 22.45 Uhr, ShowView 539.845


Auch am Mittwoch

Als ein vielversprechendes Debüt wurde diese Geschichte um einen einst berühmten Autoren, gespielt von Ed Harris und seine erwachsene, zurückgekehrte Tochter gelobt, aber an der Kasse war es kein Erfolg, weshalb der Film es auch gar nicht erst bei uns in die Kinos geschafft hat. Nuanciert, charmant und in gemächlichem Tempo erzählt soll EIN WINTER IN MICHIGAN sein. Mal gucken. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag im Ersten um 00.20 Uhr, ShowView 9.941.839


Und wie immer gibt es außerdem noch viele weitere sehenswerte und wohlbekannte Filme im Programm, diese Woche beispielsweise FLAMMENDES INFERNO mit Steve McQueen und Paul Newman auf RTL2, ALIENS, also Teil 2 von James Cameron, auf Kabel 1, die zweite Hälfte von KILL BILL auf Pro 7 und Viscontis LEOPARD im BR. Wer suchet, der findet.



Kinos, Folge 51: Das Babylon in Berlin-Mitte


Einer der ganz großen Kinoschätze, die Berlin noch verblieben sind. Das Haus, 1929 noch mit einem Stummfilm eröffnet, wurde von Hans Poelzig entworfen im Stil der Neuen Sachlichkeit. Zu DDR-Zeiten durchgehend geöffnet, war es in den Achtzigern das einzige Programmkino Ost-Berlins, in dem auch die Aufführungen des staatlichen Filmarchivs unter dem Namen "Camera" stattfanden. Nach dem Zusammenbruch der DDR stellte sich Anfang der Neunziger heraus, dass auch der Kinosaal vom Einsturz bedroht war, woraufhin es eine Weile nur noch Aufführungen im Foyer gab. Und da nach der Teilung alles mindestens doppelt vorhanden sein muss in Berlin, wird es heute, nach einer vorbildlichen Instandsetzung inklusive Wiederherstellung der Stummfilmorgel, als zweites kommunales Kino neben dem Arsenal betrieben, erhält sein Geld allerdings nicht vom Bund wie letzteres, sondern vom Senat und steht deshalb in der Pleitestadt wohl auf wackeligeren Beinen.
Unerfreulicherweise ist die Hemmschwelle zur Projektion von DVDs und anderen niedrig aufgelösten digitalen Quellen offenbar stark gesunken, so dass hier selbst Klassiker wie LA STRADA nur in Heimkinoqualität zur Aufführung kommen. Wenigstens wird daraufhin aber im Programm hingewiesen. Seltsam, dass ausgerechnet eine solche Institution sich aktiv daran beteiligt, den immer weniger werdenden Kinogängern zu demonstrieren, dass sie besser zu Hause gucken könnten, wo die DVDs besser aussehen, als auf der Leinwand. Und keiner Eintritt verlangt.


Eine Googleabfrage, die letzte Woche jemanden aus Cottbus auf diese Seiten führte: "Witz über Gerüstbauer".


1 Kommentar:

  1. Wie bitte, noch kein einziger Kommentar? Das man wirklich immer alles alleine machen muss... ;-)

    Zu den Latainamerikanischen Filmtagen im 3001: der einzige mir bekannte Film im Programm ist "La Antenna" der letztes Jahr auf dem Fantasy Filmfest als "Centerpiece" gezeigt wurde. In dieser Sektion werden immer besonders anspruchsvolle Filme gezeigt und wie ich in den letzten drei Jahren gelernt habe, vertrage ich solche Filme nicht mehr so gut, wenn ich drumherum ein wahres Mammutprogramm zu bewältigen habe. Will sagen, ich fand die Bildsprache dieses Stummfilms (!) zwar interessant, aber meine Augen hatten, nachdem ich vorher schon drei Filme verarbeiten musste, doch stark mit der Müdigkeit zu kämpfen. Wer sich ein Bild von dem Film machen will, kann ja mal bei Youtube nach dem Trailer suchen.

    Zu "Palermo Shooting": der Film wird ja schlicht von niemandem geliebt. Ich kann mich noch an die vielen teils wohlwollenden, teils euphorischen Kritiken zu "Million Dollar Hotel" erinnern (der letzte Wenders den ich mir angetan hatte) und wie sehr ich mich über die Diskrepanz zwischen meiner Wahrnehmung des filmischen Kuddelmuddels und den zuvor gelesenen Texten wunderte. Aber nun: selbst der Filmdienst findet kein einziges wohlwollendes Wort!

    Zu "Roadhouse": was soll man zu dem Film sagen? So ein Film konnte wahrscheinlich nur in den 80ern entstehen und auch nur dann wenn die Studiobosse nicht so genau hinschauen, wass ihr böses Wunderkind da gerade treibt. Joel Silver genoss hier offenbar totale Narrenfreiheit und war beim absegnen des Drehbuchs wahrscheinlich völlig zugekokst.

    Die Handlung ist wirklich kaum der Rede wert, aber was von dem Film in Erinnerung bleibt und ihn auch heute noch zu einem unwiderstehlichen "Guilty Pleasure" macht ist die große Anzahl an WTF-Momenten in denen die Handlung gewöhnliche Hollywood-Klischee-Bahnen verlässt und die nächste Ausfahrt ins Lala-Land nimmt. Sprüche, Kloppereien und Posen wurde hier jedesmal aus reinem Selbstzweck eingefügt und bekommen keinerlei Rückendeckung durch Handlungslogik oder Charakterentwicklung.

    Wer bereit ist zwei Stunden lang fünfe gerade sein zu lassen und beim Anblick von Trash-Exzessen Freude zu empfinden, sollte auf jeden Fall mal einen Blick riskieren.

    Ach ja, zu der "Ab 18"-Freigabe: die dürfte hauptsächlich dem Kampf gegen den Ober-Schergen des Ober-Bösewichts geschuldet sein, der damit endet das Patrick Swayzee seinem Kontrahenten mit bloßer Hand den Kehlkopf aus dem Hals reißt!

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